Zuckerguss (German Edition)
liebsten würde ich auf der Stelle zu Olli fahren und ihm gehörig die Meinung sagen. Aber da ich mich letztes Mal schon mit der Angelegenheit Lissy böse in die Nesseln gesetzt habe, lasse ich das besser.
»Ach, Miriam«, seufzt Lissy und verdreht die Augen, »jetzt fang bitte nicht wieder mit dieser uralten Geschichte an. Zwischen Olli und mir läuft nichts. Er ist ein guter Kumpel, mehr nicht. Olli und ich zusammen – das wäre ungefähr so, wie mit dem Bruder ins Bett zu steigen.« Sie kichert belustigt in sich hinein.
Ich lasse mich in den Stuhl zurückfallen und zeige meiner Freundin einen Vogel.
Was habe ich eigentlich erwartet? Dass Olli und Lissy plötzlich erkennen, was ich bereits seit Jahren weiß? Dass sie nämlich einfach zusammengehören. Es ist zum Aus-der-Haut-fahren! Der eine kriegt den verdammten Mund nicht auf, und die andere leugnet ihre Gefühle. Bis heute verstehe ich nicht, wieso Lissy sich dermaßen sträubt.
Ob Ollis Heimkehr nach dem Studium eine Rolle bei ihrer Entscheidung gespielt hat, ihre Ausbildung in Wismar zu beginnen? Lissy hätte die Ausbildung auch in Köln, Kiel oder Garmisch-Partenkirchen beginnen können. Aber nein, sie ist nach Wismar zurückgekehrt. Zurück zu Olli. Ausgerechnet Lissy, die es früher selten lange an einem Ort ausgehalten hat. Das gibt mir zu denken. Aber wenn ich damit anfange, wird sie ohnehin alles abstreiten. Tja, was soll ich machen, als Amor tauge ich anscheinend nicht viel.
Wahrscheinlich wird es das Beste sein, wenn ich mich von nun an einfach raushalte. Niemand kann zu seinem Glück gezwungen werden, und lange genug habe ich mir den Mund bei den beiden fusselig geredet. Trotzdem würde ich einiges dafür geben, am Ende verkünden zu können: Ich hab’s euch ja gleich gesagt!
»Los, versteck dich!« Lissy hält mir die Dessertkarte vor die Nase und deutet mit dem Kopf fieberhaft nach links. Sie sieht aus wie ein Wackeldackel mit Nackenproblemen.
»Was ist denn?«, will ich verwundert wissen.
Lissy rollt mit den Augen und verrenkt sich fast den Hals, als sie wiederholt zum Eingang nickt.
Nachdem ich endlich begriffen habe, was sie mir die ganze Zeit mitteilen wollte, ist es bereits zu spät. Cora Schneider, eng angeschmiegt an einen schleimigen Antonio-Banderas-Verschnitt im Maßanzug, stolziert zielsicher auf unseren Tisch zu.
»Lissy, was für eine Überraschung, lange nicht mehr gesehen«, zwitschert Cora überschwänglich und drückt der verdutzten Lissy links und rechts ein Küsschen auf die Wange. Für mich hat sie dagegen nur einen kühlen Blick übrig. Von mir aus, ich habe ohnehin keine Lust, mich mit ihr zu unterhalten. Im Gegenteil. Seit ich weiß, was für ein mieses Spiel sie mit meinem Bruder abgezogen hat, verspüre ich den Drang, alle Männer vor Cora zu warnen. Sogar diesen Antonio Banderas, aber der himmelt Miss Ostseestrand 1999 dermaßen übertrieben an, dass meine Warnung auf taube Ohren stoßen würde. Vermutlich steckt der Mann in seiner Midlife-Crisis und glaubt, mit Cora sein alterndes Image aufzupolieren, kennt man ja. Mein Mitgefühl hält sich daher in Grenzen.
»Sag mal, Miriam, was hält David eigentlich von dem Foto im Wismarer Tageblatt ?«, wendet sich Cora überraschend an mich, ein falsches Lächeln auf den Lippen. »Darf ich fragen, wie viel du der Zeitung gezahlt hast, damit sie das Bild abdrucken?«
»Cora-Schätzchen, David und ich sind so happy miteinander, wir möchten die ganze Welt an unserem Glück teilhaben lassen«, säusele ich mit verzücktem Gesichtsausdruck und hole schmachtend Luft.
Lissy starrt mich an, als ob mir gerade zwei Hörner gewachsen wären. Mit einer knappen Geste bringe ich sie zum Schweigen. Auf das Kreuzverhör nachher freue ich mich jetzt schon. Das wird ein Spaß, hipphipphurra.
»Dann solltest du besser auf ihn aufpassen. Es ist ja kein Geheimnis, dass David nichts anbrennen lässt«, stichelt Cora in zuckersüßem Ton, während aus ihren Augen gleichzeitig Blitze auf mich herabregnen.
Ich lächele sonnig, bemüht, mir nicht anmerken zu lassen, dass Coras letzte Bemerkung mir Kopfzerbrechen bereitet. Was soll diese Anspielung? Will Cora mich lediglich verunsichern, oder ist David womöglich doch der Frauenheld, für den ich ihn von Anfang an gehalten habe? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Er sieht zwar verboten gut aus und könnte an jedem Finger eine Frau haben, aber das traue ich ihm nicht zu. Dafür hängt er sich viel zu sehr in unsere
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