Zuckerguss und Liebeslieder Roman
sehr es mich gefreut hat, mit Ihnen zu plaudern. Und nun wünsche ich Ihnen beiden einen schönen, gemütlichen Abend miteinander.«
Dann ist sie buchstäblich mit einem Satz aus dem Zimmer heraus. Ich sacke nach hinten, zeitgleich mit Stephen, dessen Arm wieder um meine Schultern liegt. Aber ich habe keinen Gedanken für Stephen. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Heidi und Wyatt zu einem Turteldinner »danach« unterwegs sind. Ich bekomme die Vorstellung nicht aus dem Kopf, wie die beiden durch den Wald zu einer schattigen Lichtung reiten, wo sie die Pferde anbinden und sich auf den Flickenteppich legen, den Wyatt wohlweislich mitgenommen hat, nebst einer Flasche mit moussierendem Apfelsaft und einem Körbchen saftiger Erdbeeren. Heidi lagert elegant auf dem Teppich, ihr blondes Haar ist fächerförmig um sie ausgebreitet und glänzt im späten Nachmittagslicht wie Gold. Wyatt füttert sie mit Erdbeeren, die sie anmutig verzehrt, obwohl sie flach auf dem Rücken liegt. Dann hält sie eine Hand ans Ohr. »Wyatt, höre ich da einen Wasserfall?« Im Nu ist sie auf den Beinen
und lugt durch die Bäume, wo sich wie von Zauberhand ein siebzig Meter hoher Wasserfall materialisiert hat. Bald tummeln sie sich nackt unter dem herabgischtenden Wasser. Heidis lange, gebräunte, zellulitisfreie Beine glitzern wie poliertes Kupfer. Nach vielen schmachtenden Küssen holt Wyatt das flauschige weiße Handtuch, das er ebenfalls wohlbedacht mitgenommen hat, hüllt sie darin ein und trägt sie zu dem Teppich zurück, was ihm keine Schwierigkeiten bereitet, weil sie gertenschlank ist und das Wort Frustessen nicht kennt. Dann lieben sie sich leidenschaftlich im Mondlicht, obwohl es erst sechs Uhr abends ist.
Stephen schmiegt sich enger an mich. »Sie scheint sehr nett zu sein. Es heißt ja, die Amerikaner seien ein freundliches Volk, und das stimmt offenbar auch.«
»O ja, sie ist ein wahrer Schatz«, sage ich säuerlich.
»Also hast du zumindest eine Freundin hier gefunden«, sagt Stephen gönnerhaft. »Das ist gut. Vielleicht könnten wir Heidi und Wyatt ja einmal abends zum Essen einladen.«
»Nein!« Das fehlte gerade noch. Nach dem Wasserfallsex kann Wyatt nicht mehr umhin, Heidi einen Antrag zu machen, und sie wird allen ihren gigantischen Diamantring mit Saphiren, Rubinen und Smaragden unter die Nase halten.
»Warum denn nicht?«, fragt Stephen verwirrt.
»Weil … weil … Weil sie versuchen wird, an mein Cupcake-Rezept zu kommen«, sage ich.
»Dein Cupcake-Rezept?«, wiederholt Stephen mit gerunzelter Stirn.
»Ja, das ist streng geheim. Heidi und ich machen beim Cupcake-Wettbewerb von Barnsley mit.«
»Ist das eine große Sache in Barnsley?«
»Eine sehr große sogar«, versichere ich ihm. »Es steht
viel auf dem Spiel. Heidi hat in den letzten fünf Jahre immer den ersten Preis gewonnen. Sie hatte die besten glasierten Cupcakes und will jetzt auf keinen Fall gegen mich verlieren.«
»Warum nicht?«
Weil wir beide unbedingt Wyatt mit unseren Kochkünsten beeindrucken und einander aus dem Feld schlagen wollen. Aber das werde ich Stephen gegenüber nicht zugeben. Am Ende stellt er Wyatt noch zur Rede, fordert ihn zum Faustkampf heraus und liegt zum Schluss mit Nasenbluten am Boden. Nicht weil Wyatt ihm tatsächlich eins verpasst hat, sondern weil Stephen in Ohnmacht fallen würde, bevor es so weit käme. »Weil …« - ich versuche mir einen plausiblen Grund für unsere Rivalität einfallen zu lassen. »Weil ich Ausländerin bin.«
Stephen ist perplex. »Das hier ist doch eine Einwanderernation.«
»Aber ich bin Britin«, erkläre ich ihm. »Heidi kann sich über die Unterdrückung in der Kolonialzeit furchtbar ereifern. Erwähne ja nie die Boston Tea Party«, sage ich mit warnendem Kopfschütteln. »Sie ist imstande und geht auf dich los. Sie ist Englischlehrerin, deshalb findet sie diesen ganzen Besteuerungskram aus dem achtzehnten Jahrhundert geradezu hochinteressant.«
Stephen wirkt immer noch verwirrt.
»Und der Siegerin winkt ein nicht unbeträchtlicher Preis«, hangele ich mich weiter.
Es ist ein Gutschein über fünfundzwanzig Dollar für einen Imbiss in der Barnsley Tavern, und das Foto der Preisträgerin erscheint im Barnsley Messenger .
Jetzt kommt Leben in Stephen. »Ui. Demnach gibt es Sponsoren?«
Ich nicke. »Die Barnsleyer Großhandelskooperative für Saatgut und Mais. Du siehst also, es geht hier um viel Geld. Und das Ganze findet nächstes Wochenende statt.«
»Ich verstehe. Es ist
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