Zuckerguss und Liebeslieder Roman
kann ich nichts einwenden, das weiß er.
Also gehe ich zur Arbeit, wo ich, statt meine Kündigung
einzureichen, online italienische Marmorfliesen checke, wann immer Phoebe Brent zu sich zitiert. Nach einem Tag sind bereits erste Veränderungen bei Carmichael Music zu spüren. Mittags sitze ich mit Lisa vom Empfang, den Mädels aus der Buchhaltung und Bob vom technischen Service an einem Tisch. Graham hat immer Wert darauf gelegt, in der Kantine zu Mittag zu essen, wenn er da war, und mit Leuten aus verschiedenen Abteilungen zusammenzusitzen. Er kannte jeden mit Namen. Phoebe und Brent jedoch hocken oben in ihrem Büro und essen bei Itsu bestelltes Sushi.
Lisa, die Empfangsdame, packt ihr halbes Mittagessen in eine Tupperdose. Sie ist alleinerziehende Mutter, und vermutlich ist das ihr Abendessen. »Graham war immer so verständnisvoll. Wenn Kayla krank war, konnte ich immer zu Hause bei ihr bleiben. Ich nehme an, das wird sich alles gründlich ändern.«
Niemand widerspricht ihr.
Betty aus der Buchhaltung weist mit dem Kopf zu den PR-Mädels, die am Fenster sitzen. »Wenn die da bis zum Ende vom Sommer noch einen Job haben, fresse ich einen Besen samt Stiel. Die neue Madam macht kurzen Prozess mit ihnen und sucht sich ein externes Unternehmen.«
Bob nickt weise. »Von der Belegschaft ist bald nur noch das Gerippe übrig.« Bob, unser Techniker, ist Dads und Valeries Nachbar und hat mich Graham damals empfohlen. Graham hat Bob zur Einrichtung unseres Internetzugangs eingestellt. Mit dieser Tätigkeit finanziert Bob seine wahre Leidenschaft - die mittelalterliche romantische Komödie, an der er eifrig schreibt. Er ist sehr gebildet.
Lisa beugt sich zu mir hin. »Also, stimmt es denn nun, Alice? Es geht ein Gerücht um, du wärst auf dem Weg Richtung Big Apple.«
Ich schüttle den Kopf. »Ist noch nichts entschieden.«
Nach der Arbeit gehe ich zu dem monatlichen Treffen der Selbsthilfegruppe für Angstgestörte. Andy, Jennifer und Zara sind schon da. Andy ist ein ehemaliger Flugkapitän, dessen Nerven blankliegen, seit ein Sturm im Golf von Biscaya ihn zu einer Notlandung in der Nähe von Santiago de Compostela gezwungen hat. Er hat graues Haar, trägt immer noch einen Bürstenschnitt und weiße Pilotenhemden mit vielen Taschen. Jennifer ist Hausfrau und hat, bevor sie zu Dr. Vaizeys Gruppe stieß, zehn Jahre lang das Haus nicht verlassen, außer um bei Spar einkaufen zu gehen. Zu Zara nur so viel: Sie ist irgendwas zwischen zwanzig und dreißig, strebt nach Dichterlorbeeren, hat fast hüftlanges Haar und einen Mordshaufen Probleme.
Ich winke zur Begrüßung und reihe mich in die Schlange an der Theke ein. Wohlweislich bitte ich um einen Pappbecher für meinen Magermilch-Latte. Bakterien - und wie man den Kontakt mit ihnen vermeidet - sind bei diesen Anlässen ein beliebtes Thema. Jennifer und ich gehen ohne unsere desinfizierenden Reinigungstücher nirgendwohin, und Zara - die mal einen Becher mit einem nur teilweise entfernten Lippenstiftabdruck erwischt hat - trinkt jetzt nur noch durch einen Strohhalm.
Ich nehme Platz und höre Andy zu, der sich gerade über Depressionen verbreitet. »Scheißdepressive. Alles dreht sich nur um die.« Er zählt an den Fingern ab. »Arbeiten nicht, waschen sich nicht, schlafen den ganzen Tag. Und dann erwarten sie auch noch von allen Mitleid. Erzähl mal deinem Hausarzt, du hättest Angststörungen, und was kriegst du? Zwanzig Tavor und eine Meditationskassette.«
Jennifer nickt beifällig. Mir fällt auf, dass sie sich blonde Strähnchen hat machen lassen und von Monat zu Monat
mit immer gewagterem Dekolleté erscheint. Heute trägt sie einen blassrosa Mohairpullover mit V-Ausschnitt. In letzter Zeit habe ich mich öfter gefragt, ob da wohl etwas zwischen ihr und Andy läuft, auch wenn ihr Mann, ein Verkehrspolizist, sie immer überallhin fährt. Ich sehe ihn manchmal, wie er in einer Seitenstraße mit freiem Ausblick auf Starbucks parkt und den Daily Express liest.
Zara holt ihr Strickzeug aus einer löchrigen Plastiktüte. Sie ist imstande, Aufgaben zu erfüllen, aber nur, wenn sie eine bestimmte Reihenfolge einhält. Bei der kleinsten Abweichung muss sie von vorn anfangen. Infolgedessen wurde es bei ihrem letzten Job, an der Kasse bei Tesco, Heiligabend ziemlich ungemütlich. Sie wird sich am Gespräch beteiligen, sobald sie ihr Strickzeug in Gang gebracht hat.
»Man hat mir einen Job in New York angeboten«, verkünde ich.
Andy klopft mir auf die Schulter, und
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