Zuckerguss und Liebeslieder Roman
schicken. In Kontakt zu bleiben, ist kein Problem.« Ich hole tief Luft. »Du könntest auch rüberkommen und mich besuchen.«
»Dich besuchen«, sagt er mit dünnem Stimmchen.
»Mithilfe von verschreibungspflichtigen Beruhigungsmitteln«, füge ich hastig an. »Du schläfst in Heathrow ein und wachst in New York auf.«
Das Knoblauchbrot kommt; Stephen teilt es mittig.
Derweil male ich ihm unseren vorerst noch in den Sternen stehenden Besichtigungstrip durch New York aus, unter Auslassung der Bootstour rund um die Freiheitsstatue und des Teils, bei dem man ganz hoch oben auf dem Empire State Building auf die windumtoste Plattform tritt. »Die Museen sind Weltklasse«, erkläre ich.
»Und damit bliebe uns auch mehr Zeit für die Planung der neuen Küche«, setze ich beiläufig hinzu. Das mit der Küche habe ich noch lange nicht aufgegeben, o nein. Aber ich warte lieber damit, bis ich wieder da bin, bevor am Ende Stephen die Ober- und Unterschränke, die Arbeitsflächen und die Armaturen aussucht.
»Okay«, quetscht er heraus. »Wenn du das so sagst, gibt es wohl keine Alternative …« Seine Stimme versagt, sein Gesicht ist ein einziges Elend. »Ich weiß bloß nicht, wie ich ohne dich zurechtkommen soll.«
Oje. Ich greife nach seiner Hand und drücke sie fest, muss sie aber im nächsten Moment wieder fahren lassen, weil die Kellnerin mit unseren Pizzas erscheint. Stephens unverbrüchliche Treue schnürt mir die Kehle zu. Zugegeben, er hat die eine oder andere Marotte, aber ich bin auch nicht gerade die unkomplizierteste Mitbewohnerin aller
Zeiten. Für jeden Topf gibt es einen Deckel, was in unserem Fall heißt, dass ich der deformierte Deckel für Stephens verbeulten Topf bin.
»Wir müssen einfach ganz detaillierte Pläne für alle Eventualitäten erstellen«, sagt er tapfer. »So wie sie es bei der SAS machen.« Stephens Lieblingsschriftsteller ist Andy McNab, der nach seiner Zeit als Kompanieführer bei dieser Spezialeinheit der Armee zum Bestsellerautor wurde.
Liebe wallt in mir auf, als ich zusehe, wie er seiner Pizza methodisch zu Leibe rückt, Kruste zuerst, und sich im Uhrzeigersinn weiter nach innen vorarbeitet. Ich tue es ihm gleich. Das war eins der Dinge, die mir sofort an uns auffielen - bei unserem ersten Date im Pizza Hut - und mir sagten, dass wir füreinander bestimmt waren. Ach, was hatten wir an diesem ersten Abend für einen Spaß beim Austausch über unsere Vorlieben und Abneigungen! Stephen stimmte mir zu, dass Pferde allerdings äußerst furchterregende Wesen sind, ganz gleich, von welchem Ende man sich ihnen nähert. Die Angewohnheit mancher Leute, mit ihrer Gabel ins Essen anderer zu pieken und einen Bissen zu probieren, verurteilten wir als sowohl unhygienisch wie auch als Zeichen von schlechten Manieren. Beim Kaffee gestanden wir einander unseren wechselseitigen Horror vor Swimmingpools - das unhygienische Gemeinschaftswasser, das Risiko von Warzen und die Gefahr, dass zu viel Chlor drin ist, man infolgedessen von Dämpfen benebelt wird und schließlich ertrinkt.
Fürs Zusammenwohnen eignen wir uns ideal. Er weiß, dass ich weiche Eier nicht ausstehen kann - schon beim Anblick des Glibbers in der Mitte wird mir übel -, und kocht sie zuverlässig zehn Minuten. Wir haben beide sehr empfindliche Ohren - Stephen und ich lassen den Fernseher
so leise laufen, dass wir wichtige Dialogzeilen häufig erraten müssen. Und beide waschen wir neue Kleidung immer erst einmal, bevor wir sie anziehen, weil man nicht weiß, wer sie vor einem schon alles anprobiert hat.
Eine Weile essen wir schweigend, dann legt Stephen Messer und Gabel hin. »Wir nennen es Operation USA«, verkündet er. »Und wir müssen gleich heute Abend mit der Planung beginnen.«
Ich will wieder nach seiner Hand greifen, aber er hat sich erneut Messer und Gabel geschnappt und zerschneidet den Fünf-Uhr-Abschnitt seiner Pizzakruste.
Also begnüge ich mich stattdessen mit einer Vision von uns beiden in New York, Stephen außer Rand und Band und herrlich unbekümmert dank der nachhaltigen Wirkung seiner Flugangstbekämpfungsmittelchen. Hand in Hand hüpfen wir die Fifth Avenue entlang, dinieren in Restaurants, die bald in aller Munde sein werden, und rudern um den berühmten See im Central Park. Mannhaft lenkt Stephen unser Bötchen bis zur Mitte des Sees und lässt es dort dümpeln. Ich gucke verblüfft, obwohl ich eine Ahnung habe, was jetzt kommt. Und richtig, Stephen zieht ein Kästchen von Tiffany aus der Tasche. Ich
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