Zuckerguss und Liebeslieder Roman
völlig neuen Level, und ich kann es einfach nicht mit ansehen, wie da rings um mich herum das Wasser zerläuft. »Um Himmels willen, machen Sie die Tür zu«, nötige ich ihn, »sonst haben Sie am Ende noch Wasserflecken im Boden, die nie wieder rausgehen.«
Für einen Moment verschlägt es ihm die Sprache. »Die nie wieder rausgehen?«, wiederholt er verwirrt.
»Hmm.« Ich deute auf eine Pfütze nach der anderen. »Außer er ist versiegelt, in dem Fall ist es okay. Lassen Sie mich es einfach schnell mit einem Papierhandtuch trocken wischen.« Damit würde ich mich ein bisschen besser fühlen, das weiß ich. »Ich habe gesehen, dass Sie welche in der Küche haben.«
Er sieht mich an, als wäre ich reif für die Klapsmühle. »Lady, das war’s jetzt.«
»Aber ich bin den weiten Weg von England hierhergeflogen, um mit Ihnen zu sprechen!«, plärre ich los.
»Das ist nicht mein Problem.« Schweigen. »Ich trage Ihnen den Koffer zum Wagen.«
Endlich macht es klick. Mir ist klar, dass ich das hier so gründlich vermasselt habe, wie es nur geht. Ich habe mich bei diesem Treffen so hundsmiserabel schlecht geschlagen, dass ich nie wieder in der Musikbranche arbeiten kann. Dieser Augenblick wird mein Verhältnis zu Teresa bis an mein Lebensende bestimmen. Bei jeder Familienfeier in den kommenden vierzig Jahren die gleiche Geschichte. »Alice, erzähl uns doch mal davon, wie du einen Tag lang in Amerika gearbeitet hast.«
Aber dass der Mensch hier mich zu meinem Auto begleiten will - nur über meine Leiche.
»Nein danke«, sage ich. »Ich komme schon zurecht.«
Für den Bruchteil einer Sekunde blitzt so etwas wie Überraschung in seiner Miene auf. Dann ist es verflogen. »Wie Sie wollen.«
»Genau.« Es soll sich stolz und rotzfrech anhören, klingt aber, als spräche eine Fünfjährige.
Dann bleibt mir nichts mehr, als den Griff meines Rollkoffers auszuziehen und über die verschneite Zufahrt zu schlittern, während hinter mir die Tür zu Wyatts Haus krachend ins Schloss fällt.
13. KAPITEL
Draußen ist der Himmel grau, und ein Schneesturm treibt heulend Millionen von Flocken durch die Luft. Beim Blick auf die kahlen Felder kommt es mir vor, als wäre ich in einen zutiefst deprimierenden russischen Roman geraten, und wie die meisten russischen Romanheldinnen habe ich jeglichen Lebenswillen verloren. Wie ich da mit meinem Wagen über Wyatts Zufahrt schliddere, erscheint mir Tod durch Unterkühlung in einem eingeschneiten Ford Focus als eine ganz akzeptable Option. Ich habe Stift und Papier dabei, bin also gut versorgt. Ich werde Dad schreiben, dass ich ihn liebhabe, Teresa, dass ich ihr verzeihe, und Stephen, dass er meinen ganzen Krempel auf eBay verkaufen kann. Dann werde ich die Rückenlehne meines Sitzes bis zum Anschlag nach hinten verstellen und sterben, in Ohio, dem Sibirien der USA.
Ich schaffe es über die Zufahrt und ungefähr eine halbe Meile auf der Straße, dann halte ich an, um ein bisschen Notfallmeditation zu betreiben. Mittlerweile kommt der Schnee wie eine dichte Wand herunter. Ich krame das Lavendelöl aus meiner Tasche, reibe mir die Schläfen damit ein und hole meine »Musik für die Seele«-CD heraus, ein beruhigendes Medley aus Klaviergeklimper, fließendem Wasser und Panflöten. Es klingt, als wäre es bei jemandem zu Hause in der Garage aufgenommen worden. Dann schließe ich die Augen und sage mir energisch vor: »Ich bin eine starke und selbstsichere Führungskraft. Was immer geschieht, ich werde damit fertig.« Ich wiederhole es zweimal, dann breche ich in Tränen aus.
Wie konnte es bloß dazu kommen? Wieso haben meine
Träume von einem neuen Leben ein solch schnelles, bitteres Ende genommen - und was soll nun aus mir werden? Ich bin ein Versager. Dr. Vaizey hat gern mit uns über die Rolle gesprochen, die unsere kritische innere Stimme beim Fällen von Entscheidungen spielt. Wie ich da am Straßenrand sitze und mir die Augen ausheule, rezitiert meine innere Stimme genüsslich einen Katalog meiner bisherigen Fehlleistungen.
Rolle als Schaf beim Krippenspiel im Kindergarten: umgefallen.
Windsurfen auf den Kanaren mit neunzehn: konnte nicht mal das Segel hochziehen.
Riemchensandalen, die laut Frauenzeitschriften im Sommer ein Muss sind: Füße quellen auf der Seite heraus.
Salsa-Kurs im Sportzentrum von Kingston: Wen wolltest du damit verulken?
Vielleicht kannst du ja noch mal bei der Stadtverwaltung vorsprechen und betteln, dass sie dir deinen alten Job wiedergeben, schließt
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