Zuckerguss und Liebeslieder Roman
Wyatt ab und schlage sie nieder.« Dann schneidet sie mir die Haare ab.
Ich fahre die nun schon fast vertraute Strecke nach Hause, vorbei an den flachen Bungalowhäusern am Ortsrand, die in offenes Feld übergehen, die lange Straße den Hügel hinauf bis zur Kreuzung und dahinter noch eine Meile bis zur Zufahrt von Wyatts Farm. Unterwegs überhole ich Sheriff Billy und winke ihm zu - da Kriminalität in Barnsley praktisch ein Fremdwort ist, bringt er einen Großteil seiner Dienstzeit damit zu, in der Gegend herumzugondeln. Schließlich bin ich zu Hause; Wyatts Pick-up steht nicht im Hof.
Ich verziehe mich in das Cottage, werfe die nächste Wäsche an und hole mir von oben das einzige Kleid, das ich eingepackt habe. Es ist drei Jahre alt, aus schwarzem Samt und von Monsoon. Stephen hat sich nie dafür begeistern können, wegen des tiefen Ausschnitts, den er »ein bisschen zu jugendlich« findet. Ich habe es anlässlich von Dads sechzigstem Geburtstag gekauft, der im Golfclub von New Malden gefeiert wurde. »Sehr hübsch, Alice«, sagte Teresa und musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle. »Und sehr klug von dir, dass du Schwarz genommen hast. Das macht doch immer am schlanksten.« Halb und halb hatte ich erwartet, Dad würde bei dieser Gelegenheit bekanntgeben, dass er und Valerie heiraten wollten, aber er tat nichts dergleichen.
Gegen vier sehe ich beim Blick durchs Fenster Casey in die Scheune gehen. Immer noch keine Spur von Wyatt. Ich beschließe, Casey einen Besuch abzustatten. Er sitzt neben Mary Lou.
Ich merke sofort, dass irgendwas nicht stimmt. Er lässt die Schultern hängen und starrt zu Boden, und ich habe das Gefühl, dass ich in seine Unterhaltung mit Mary Lou geplatzt bin, weil er bei meinem Anblick verdutzt und leicht verlegen wirkt. Neben ihm steht seine Schultasche; demnach ist er von der Schule direkt hierhergegangen. Sicher hat er Hunger.
»In der Küche gibt’s noch Apfelkuchen.« Wyatt hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich Casey ein bisschen aufpäpple.
Wortlos steht er auf, greift nach seiner Tasche, tätschelt Mary Lou und folgt mir nach draußen.
Er bleibt stumm, während ich ihm ein Stück Kuchen in der Mikrowelle aufwärme und ihm ein Glas Milch hinstelle. Erst als er noch ein zweites Stück verdrückt hat, kommt das Gespräch allmählich in Gang.
»Es geht um ein Referat«, sagt er mit einem Seufzer. »Wir müssen es nächste Woche abgeben.«
Wie aufregend! Ich fand Referate immer toll. Manchmal habe ich mir in den Ferien selbst eins vorgenommen und viele vergnügte Stunden damit zugebracht, Bilder aus Mums Frauenzeitschrift auszuschneiden und in mein Sammelalbum von WH Smith zu kleben.
»Wie lautet das Thema?«
Ein weiterer Seufzer. »Die fünfzig Bundesstaaten und ihre Flaggen. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Flagge«, erläutert er lustlos. »Man muss sich einen Bundesstaat aussuchen und dann das Ganze vor der Klasse vortragen.«
Wo soll da das Problem sein? »Das klingt doch eigentlich ganz lustig«, sage ich munter.
Aus seinem Blick werde ich nicht recht schlau. »Es muss mit PowerPoint sein. Und ich habe keinen Computer. Wir hatten einen, aber der ist kaputt.«
So wie er das sagt, scheint keine Aussicht darauf zu bestehen, den Computer reparieren zu lassen.
»Tja«, sage ich. »Also ich habe einen Computer und die allerneueste PowerPoint-Version.« Ich könnte noch anfügen, dass ich ein absoluter Fan bin, was Präsentationen angeht, aber ich will lieber nicht zu sehr aufschneiden.
Caseys Miene hellt sich auf. »Ich will Kentucky nehmen. Da ist Mom geboren.«
Ich kann nicht länger an mich halten. »Warte. Ich hole meinen Laptop.«
Eine Stunde später kommt Wyatt und findet uns bei der Feinplanung zu jedem einzelnen unserer zehn Bilder. Er macht die Küchentür zu, hängt seinen Mantel an den Haken und schnürt seine Stiefel auf. Ich traue mich nicht zu fragen, wo er gewesen ist, das könnte wohl doch zu neugierig wirken. Falls es ihn überrascht, dass Casey und ich seine Küche mit Beschlag belegt haben, lässt er es sich nicht anmerken.
»Hausaufgaben?«, fragt er und fängt an, sich eine Kanne Kaffee zu kochen. Wenigstens mit einer Sucht lag ich also richtig.
»Ja.« Casey sieht nicht hoch. Er liest in seinem Landeskundebuch. »Alice leiht mir ihren Laptop.«
»Braucht ihr einen Drucker?«, erkundigt Wyatt sich hilfsbereit.
Casey und ich sehen uns an und verdrehen die Augen. »Er speichert es auf Diskette, die nimmt er dann mit in die
Schule und lädt
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