Zuckerguss und Liebeslieder Roman
Verhältnis nicht ein rein professionelles wäre, glatt als kleiner Flirtversuch durchgehen könnte.
»Es muss ja nicht um Geld sein.« Er sieht mich mit großen
Augen an. »Sondern zum Beispiel um das letzte Stück Kuchen hier.«
Wir sehen beide zu dem weißen Porzellanteller hin. Ich muss an diesem Punkt einräumen, dass Heidis Apfelkuchen ziemlich lecker ist (wahrscheinlich der Hauptgrund, warum Wyatt sich mit ihr trifft) und ich im Geiste das letzte Stück schon für mich reserviert habe. Ich lehne mich lässig zurück. Zum Glück weiß ich dank der Broschüre Bescheid über den Zug zum Maßlosen in der Persönlichkeit von Alkoholikern, die häufig verbotene Spielhöllen und andere Brutstätten des Lasters aufsuchen.
Wyatt, in Stimmung für eine - wenn auch noch so alberne - Wette, will es offenbar tatsächlich mit mir aufnehmen.
»Abgemacht«, sage ich und halte seinem Blick stand.
Er verschränkt die Hände hinterm Kopf und lehnt sich ebenfalls zurück.
Ein paar Sekunden später sieht Casey vom Computer auf und betrachtet mich bekümmert. »George Clooney ist in Kentucky geboren.«
»Was!« Das ist ein schwerer Schlag.
Wyatt zieht eine Augenbraue in die Höhe und schüttelt den Kopf. »Wenn ich es nicht besser wüsste, Alice, würde ich Sie für eine geborene Spielerin halten.« Seine Miene ist todernst. »Ich habe ein paar Bücher über Spielsucht, die könnte ich Ihnen leihen.«
Es bleibt mir erspart, mir eine geistreiche Retourkutsche auszudenken, denn nun liest Casey aus George Clooneys Internet-Biografie vor. »Er wurde in Lexington, Kentucky, geboren.« Wyatt steht auf und schlendert in Richtung Kuchen. »Er besuchte die Highschool in Augusta, Kentucky.« Wyatt kramt mit viel Getöse eine Gabel aus der Schublade.
Dann kommt Casey zu Clooneys Anfängen im Showbusiness. »George hatte einflussreiche Verwandte. Die berühmte Sängerin Rosemary Clooney ist seine Tante.«
Seine Tante!
Ich kaue noch an diesem Brocken, da passiert etwas völlig Unerwartetes. Wyatt fängt leise an zu singen. Es ist »American Pie« von Don MacLean.
» Bye, bye, Miss American Pie … «
Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Man stelle sich vor - jemand, dessen Stimme man schon hundert Mal gehört hat, steht plötzlich vor einem und singt. Nein, mehr als das, er singt für mich , Wort für Wort perfekt, tief und kehlig wie Johnny Cash, aber nicht so rau. Er hat eine absolut umwerfende, fantastische Stimme. Dann fange ich an zu lachen. Obwohl ich ihn kaum kenne und in ein paar Tagen wieder nach Hause fliege, obwohl ich meinen Job so gut wie los bin und wahrscheinlich doch Stephen heiraten werde, weil mich sonst niemand will, trotz alledem lache ich, als hätte ich nicht die kleinste Sorge auf dieser Welt, lache, wie ich seit Jahren nicht mehr gelacht habe.
19. KAPITEL
Ich sitze mit Gerry in The Winds, einem Restaurant in dem Örtchen Yellow Springs. Es ist sehr edel, mit weißen Stoffservietten und bauchigen Weingläsern. Gerry zählt offenbar zu den Stammgästen, wir haben nämlich den besten Tisch mit Ausblick auf die Straße. Es war eine ganz schöne Strecke bis hierher in Gerrys riesigem Mercedes mit den schwarzen Ledersitzen. Vor der Abfahrt hat Gerry über mich hinweggelangt, um mir zu zeigen, wie der Schalter für
die Sitzheizung funktioniert. Er roch nach teurem Aftershave und Zigaretten, aber nicht unangenehm. Ganz und gar nicht. Wyatt habe ich nicht mehr gesehen, als ich vom Gästehäuschen aufbrach, was auch ganz gut war, weil ich über meinem schicken schwarzen Kleid von Monsoon den einzigen Mantel anziehen musste, den ich mitgenommen habe - meinen Parka von Lands’ End.
»Rot oder weiß?«, fragt Gerry mit der Weinkarte vor sich.
Ist das schön, vor die Wahl gestellt zu werden.
»Rot«, sage ich genießerisch.
Er grinst mich an. »Ich habe gehofft, dass Sie das sagen würden.«
Gerry versteht sich darauf, einem das Gefühl zu geben, als würde man immer haargenau das Richtige sagen, und als würde er einem förmlich an den Lippen hängen. Eine weitere willkommene Abwechslung. Stephen verbreitet sich abends gern über seine Erlebnisse im Büro. »Es besteht ernsthafte Gefahr, dass mein Streitfall wegen des Fußwegs in Northumberland bis hinauf zum Berufungsgericht geht.«
»Yellow Springs sticht in der Gegend hier ein bisschen heraus«, erklärt Gerry mir. »Es ist eine Künstlergemeinde, und es gibt auch eine kleine Universität. Im Ort wohnen etliche Filmemacher und Schriftsteller.«
Schon
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