Zuckerguss und Liebeslieder Roman
Treffen gehen.« Er legt mir die Hand auf die Schulter. »Trifft es nicht zu, dass Sie eine Zeitlang wegen Ihres Alkoholproblems in Behandlung waren?«
Gerry ist käseweiß geworden. »Stimmt das?«
Ich erinnere mich wieder an die Unterhaltung mit Bruce, und allmählich schwant mir, was da schiefgelaufen ist. »Ja. Nein.«
Bruce dreht sich zu Wyatt um. »Siehst du, sie weiß selber nicht, was sie will.« Er winkt eine Kellnerin herbei. »Ein großes Glas Wasser bitte.« Dann wieder zu Wyatt: »Wir müssen sofort damit anfangen, sie zu entgiften.«
»Ach Schnauze.« Ich muss hier Klarheit schaffen. »Es war keine Fachambulanz für Suchterkrankungen. Es war etwas anderes.« Ich habe nicht vor, meine Überängste mit halb Yellow Springs zu erörtern. »Etwas Intimes.«
»Sie waren wegen etwas Intimem in Behandlung?« Gerry zuckt zurück.
»Nicht das«, blaffe ich.
Bruce kommt einen Schritt näher. »Alice, ich begleite Sie jetzt zu einem AA-Treffen.« Zu Gerry gewandt: »Ihr Abend ist hiermit beendet.«
»Einen Moment mal«, sagt Gerry wutschnaubend. »Das entscheide wohl immer noch ich.«
Bruce schnaubt zurück. Er wirkt auf mich, als wolle er jeden Moment die Samthandschuhe ausziehen. »Laut Wyatt ist die junge Dame verlobt«, sagt er und rückt Gerry näher auf die Pelle.
Der wirft ihm einen triumphierenden Blick zu. »Nicht mehr, alter Knabe.« Sein Ton besagt unmissverständlich, dass das auf die Begegnung mit ihm zurückzuführen ist.
Gleich werden sie handgreiflich, denke ich - doch da hält Wyatt Bruce zurück. »Lassen wir’s gut sein, ja?«
Gerry ist immer noch auf Streit aus. »Ja genau, Wyatt.« Er sieht auf seine Armbanduhr. »Wenn ihr jetzt aufbrecht, seid ihr gerade rechtzeitig zum Milchkakao daheim.«
Wyatt fixiert ihn lange und eindringlich, schluckt und wendet sich schließlich ab. Nach ein paar Sekunden folgt Bruce ihm zögerlich zur Tür hinaus.
Gerry und ich brauchen beide ein Weilchen, um die Fassung wiederzugewinnen. Dann lehnt er sich zurück. »Ich wollte zum Abschluss einen Brandy vorschlagen. Aber wir belassen es wohl besser bei Kaffee.«
Wir trinken ihn so schnell wie möglich aus, dann bittet Gerry die Kellnerin um die Rechnung. Als er seine American-Express-Karte zückt, sehe ich, wie er mit Nachnamen heißt. Gerry Armstrong.
20. KAPITEL
Kurz vor Mitternacht sind Gerry und ich wieder beim Cottage. Wyatts Pick-up parkt auf der Zufahrt, aber im Haus ist alles dunkel.
»Wie wär’s noch mit einem Schlummertrunk«, gurrt Gerry und stellt den Motor ab.
»Ich bin noch immer vom Jetlag geschädigt«, sage ich.
Er lässt sich nicht beirren. »Das macht gar nichts. Wenn Sie mitten in der Nacht munter werden, leiste ich Ihnen mit Freuden Gesellschaft.«
Ich lache nervös auf. Das scheint er als Ermutigung zu betrachten; er beugt sich zu mir, fährt mir mit der Hand durchs Haar, und ehe ich’s mich versehe, küssen wir uns. Ich weiß, das klingt nicht besonders überzeugend - sozusagen versehentlich jemanden zu küssen -, aber so war es. Ich breite den Schleier über das, was im Mercedes darauf folgte, und sage nur so viel: Gerry versteht sich außerordentlich aufs Küssen (ganz im Gegensatz zu Stephen mit seinen Zungenattacken).
Schließlich reiße ich mich los - nachdem ich Gerry versprochen habe, dass wir uns vor meiner Abreise noch einmal sehen - und flitze ins Cottage, halb in der Erwartung, dass Gerry mir hinterherkommt. Mit einiger Erleichterung höre ich nach einem Weilchen, dass der Motor angelassen wird.
Am folgenden Tag beschließe ich, mich im Cottage zu verkriechen und Wyatt komplett aus dem Weg zu gehen. Vielleicht wird die Autobahn ja heute endlich geräumt, und ich kann entwischen, ohne ihn noch einmal zu sehen. Wieder und wieder kommen mir Szenen vom Drama des Vorabends in Yellow Springs in den Sinn. Bruce, der mein Glas hochhielt. Die Kellnerin, die es nicht allzu diskret abräumte, als sie uns den Kaffee brachte, und Gerry dabei zuzwinkerte. Und der alte Mann, der mit seiner Frau nahe der Tür saß und bei unserem Abgang laut krähte: »Ist das die Schnapsdrossel?«
Stephen anzurufen und mich an seiner Schulter auszuheulen, kommt nicht in Frage, so viel ist klar. Also wähle ich stattdessen die Handynummer von Andy, dem Piloten aus der Mittwochabendgruppe. In Krisen hat er sich bisher immer bewährt. Aber es kommt nur die Ansage, dass die Nummer nicht mehr vergeben ist. Sehr seltsam. Dann fällt mir ein, dass ich versprochen habe, Bob wegen der Bilder
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