Zuckerleben: Roman (German Edition)
ohne Erfolg –, steckt das Handy frustriert ein und blickt hinunter auf den Innenhof des Hotels. Auf dem Hof des »Dolce della Luna« fällt ihr ein schwarzes Bestattungsauto mit römischen Kennzeichen auf, an dem ein Sticker mit dem Logo von Radio Maria angebracht ist. Plötzlich erscheinen ein dürrer großer Mann in dunklem Talar und eine rothaarige Frau in einem Kimono, die einen Toten über den Hof zum Fahrzeug tragen.
» Cara Monica. Wir kennen uns doch schon, weiß Gott, sehr lange, und da beschäftigt mich doch eine wichtige Frage, die ich dir gerne stellen würde. Ich weiß, es mag jetzt unpassend erscheinen, aber …«
»Nur zu, Padre, fragen Sie.«
Sie erreichen das Auto. Sie legen die Leiche auf dem Boden ab. Der Padre sieht die rothaarige Frau besorgt an.
»Warum bist du noch nicht verheiratet? Und hast keine Kinder? Was ist da los? Ich meine, du wirst doch bald vierzig … Die Zeit eilt.«
Der Padre schließt den Wagen auf und beugt sich hinunter. Holt aus dem Gefährt so etwas wie eine Fernbedienung mit Joystick heraus. Spielt ein wenig mit dem Gerät herum. Die Frau im Kimono ist mit der Frage sichtlich überfordert und stottert etwas Unverständliches vor sich hin.
»Tja, wissen Sie, Padre, ich habe … wie soll ich Ihnen das anschaulich erklären? Ich glaube, ich habe noch nicht die … ich meine, den Richtigen gefunden.«
Überzeugend klingt ihre Antwort nicht. Die Hintertür des Bestattungsfahrzeugs öffnet sich automatisch, und ein schlichter, jedoch eleganter Sarg aus Metall fährt heraus und auf die Frau zu, die ein paar Schritte zur Seite macht. Eine elektrische Vorrichtung senkt den Sarg bis auf den Boden nach unten.
»Du bist hoffentlich nicht eine von denen, die mit dem gleichen Geschlecht in Sünde leben. Ich meine, du bist nicht vom anderen Ufer, Monica, oder? Denk an Sodom und Gomorrha, mein Kind. Weiche nicht vom Weg des Herrn ab!«
Monica hilft dem Priester, die Leiche in den Metallsarg zu befördern.
»Vielen Dank, Padre. Vor allem, wie soll ich sagen, tja, es ist immerhin ein Selbstmörder.«
Der Padre blickt Monica lange an.
»Ich schätze es sehr, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. Das war sehr mutig von dir. Ein anderer an deiner Stelle hätte es verschwiegen. Deswegen will ich deinen Mut belohnen und mich der Sache annehmen, obwohl die Angelegenheit äußerst heikel ist. Wie hieß der Tote denn noch?«
»Filippo Calabrese. Soll ich seine Sachen holen?«
»Nicht nötig; das kann noch warten. Ich sehe gleich mal nach, in welcher Diözese er gemeldet ist.«
Der Padre lässt den Metallsarg samt Leiche wieder einfahren, und die Hintertüren des Wagens schließen sich. Cristina erkennt, dass da unten der tote Pippo Calabrese aus dem Zuccherificio von Termoli liegen muss. Das Mädchen starrt konzentriert hinunter.
Monica verabschiedet sich von dem Mann Gottes und küsst seinen goldenen, mit der Gravur OSB versehenen Ring. Der Padre steigt in den Wagen, holt ein iPhone heraus, tippt etwas ein und fährt los. Monica di Garozzo steht auf dem Hof des »Dolce della Luna« und blickt verträumt den Rücklichtern des sich entfernenden Fahrzeugs hinterher.
00:45
Der Moldawier sitzt dem Italiener an einem Tisch gegenüber. Zwischen sich haben sie nun eine angebrochene Flasche Wodka stehen. Tolyan Andreewitsch schenkt Angelo und sich ein Glas ein.
Angelo wirft dem Moldawier einen wütenden Blick zu.
»Ich würde zu gerne wissen, wer hinter dieser Sache steckt.«
»Also das kann ich dir verraten.«
»Wirklich? Aber sag nicht, es sei das Gericht Gottes oder der Teufel oder so was Bescheuertes.«
Tolyan Andreewitsch unterbricht kurz, sagt: »Auf deine Gesundheit«, kippt den Wodka runter und knallt das Glas wieder auf den Tisch.
»Nein, nein«, fährt er fort, »es ist Jean-Marc Gazagnes.«
»Wie bitte?«
»Jean-Marc Gazagnes. Leiter der Abteilung für Getreide, Zucker, Faserpflanzen und Futtermittel in der Europäischen Kommission: Brüssel, Rue de la Loi 14, 7. Stock, am Ende des Gangs. Knibbelt gerne an seinen Fingernägeln, schaut viel aus dem Fenster seines Büros, redet leise, gefasst und vor allem mehrsprachig. Seit zwanzig Jahren EU -Beamter, komplexe, undurchdringliche Regelwerke der Union, darunter die Liberalisierung des EU -Zuckermarktes, sind seine Spezialität.«
»Woher weißt du das?«, fragt Angelo und trinkt einen Schluck.
»Sagen wir mal, dass ich nicht unsensibel für das Thema Zucker bin.«
»Na jedenfalls, so ein Arschloch.«
»Nein, an
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