Zuckerleben: Roman (German Edition)
Mädchen in seinem Zustand lieber in Ruhe zu lassen, und eilt aus dem Hotelzimmer hinaus, auf der Suche nach einem Alternativort, um seinen dringenden Stuhlgang zu absolvieren.
03:21
Angelo liegt ausgestreckt in der Badewanne und bewegt sich nicht. Nackt. Der hoteleigene Badeschaum des »Dolce della Luna« verbreitet den Duft von Lavendelhonig und Mandelmilch. Das Wasser schäumt über dem Jungen und auch über Cristina, die ihm gegenüber in der Wanne liegt und ebenfalls nackt ist. Sie spielt konzentriert mit ihren Silberringen, die sie nach Gutdünken im Schaum verschwinden und wieder auftauchen lässt. Dann bricht sie das Schweigen: Sie wundert sich darüber, dass der Moldawier Angelo nicht vermisst und sich auch nicht bei ihr nach ihm erkundigt hat.
Angelo antwortet nicht und spürt plötzlich eine prickelnde Berührung auf seinem Bein. Einmal. Und dann wieder. Und kurz darauf erneut: Es ist Cristinas Fuß, der sich mir nichts, dir nichts langsam seine Oberschenkel und Lenden hocharbeitet. Unheimlich unverschämt und unerwartet. Angelo ist überrascht und wirft dem Mädchen einen fragenden Blick zu. Cristina sieht dem Jungen direkt in die Augen. Dabei spielt sie auf der Schaumoberfläche immer noch mit ihren Ringen, so als hätte sie nichts mit ihrem Fuß zu tun, der den Jungen unter Wasser fleißig stimuliert, was diesen zusammen mit dem Kokainrausch in einen Zustand der doppelten Ekstase versetzt.
Sein Aufzug fährt immer noch nach oben!
Das italienische Mädchen neckt und zupft die Hoden des Schülers weiter und gleitet mit ihren flinken Zehen auch darüber, scheinbar zufällig. Angelo pariert diese Schikane mit dem gleichen neutralen Gesichtsausdruck, mit dem ihn das Mädchen anschaut. Schließt seine Augen, vor Wonne und Dankbarkeit, und artikuliert einige Laute der Genugtuung. Dann hört das Zupfen und Necken im Genitalbereich des Schülers plötzlich auf. Was passiert jetzt? Der Junge spürt Cristinas Körper über sich. Sein Gehirn teilt ihm mit, dass er in das Innerste des Mädchens hineingleitet. Cristina, der Teufel soll dich verstehen!, denkt sich der Junge und genießt jede Sekunde des sich für ihn unerwartet Ereignenden zusammen mit den Engelchören, die dieses euphorische Gefühl aus dem Inneren des italienischen Teenagers besingen. Das Leben ist schön!, sagt sich Angelo und öffnet die Augen. Vor ihm tänzeln zwei große schwarze Engelsflügel auf und ab. Sie sind über den gesamten Rücken des Mädchens eintätowiert und reichen bis zum Po, über den ein Schriftzug in Cristinas Haut gestochen ist:
QUI SI PARRÀ LA TUA NOBILITATE
Überall der knisternde kristalline Schaum, der Cristina von den Schultern bis zur unruhigen Wasseroberfläche wie eine Woge aus warmem Wachs innig einhüllt. Zwischen Cristinas Schulterblättern gibt der nach Lavendelhonig und Mandelmilch duftende hoteleigene Badeschaum des »Dolce della Luna« etwas Unheimliches preis: noch ein Tattoo, das Motiv eines milde lächelnden Sensenmanns, mit überkreuzten behandschuhten Händen, in denen der Tod jeweils einen Molotow-Cocktail mit brennender Lunte und eine Sanduhr hält. Darunter die Verse:
la fama nostra il tuo animo pieghi
a dirne chi tu se’, che i vivi piedi
così sicuro per lo ’nferno freghi.
Letzterer ist in Form eines wie im Wind wehenden Banners über das Haupt des lächelnden Sensenmanns in den Körper des jungen Mädchens eintätowiert worden. Angelo konzentriert sich wieder auf die Engelsflügel, die über ihm wippen. Er küsst einen von ihnen und spitzt beunruhigt die Ohren.
Ist der Moldawier schon zurück?
Doch jenseit der Badezimmertür ist nichts Verdächtiges zu hören. Leise plätschert das Wasser im Rhythmus von Cristinas Becken und schwappt ab und an auch über den Rand der Badewanne hinaus. Angelo zieht den Gummistöpsel. Das Wasser fließt ab. Der unwillkommene Gedanke an Rocco wurmt den Teenager wieder und kühlt die angenehme Wärme, die sich in seiner Brust eingenistet hatte. Er stellt sich vor, wie sich Cristina zu ihm umdreht und ihm zuflüstert:
»Ich habe Rocco vergessen. Hörst du? Ich möchte, dass du mich liebst, so wie ich dich liebe. Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Und mich nicht verlässt. Und mich glücklich machst. Wirst du es für mich tun?«, mit einem Hauch von Melancholie in ihrer Stimme.
»Ich werde dich glücklich machen, Cristina«, verspricht Angelo den Engelsflügeln.
Das Wasser ist abgeflossen. Nur der Schaum hat sich an einigen Stellen gehalten. Cristina
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