Zuckerleben: Roman (German Edition)
empfindet, berührt das Mädchen zart seine Scheide, aus der das Blut weichselrot trieft.
Es ist Cristina!
Angelo ruft mehrmals ihren Namen.
»Ich habe Rocco vergessen. Hörst du? Ich möchte, dass du mich liebst, so wie ich dich liebe. Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Und mich nicht verlässt. Und mich glücklich machst. Wirst du es für mich tun?«, flüstert Cristina, als würde sie ein Gebet aufsagen, und streckt Angelo ihre linke Hand entgegen.
»Ich werde dich glücklich machen, Cristina.«
Angelo greift nach der blutigen Hand des Mädchens und drückt sie an seine Lippen. Küsst sie stumm und gierig. Cristina schmiegt sich an den Jungen.
Behutsam greift sie seine andere Hand, in der Angelo eine frisch geölte Beretta 92 F, Kaliber 9 x 19 mm mit weißem Griff hält. Die Pistole glänzt; sie hat die Erhabenheit eines Kultgegenstands. Cristina lässt die Waffe langsam entlang ihres Halses, ihres Kinns und ihrer leicht gespreizten Lippen sanft ihre Wange streicheln, führt die Mündung der Beretta weiter in die Höhe ihrer linken Schläfe. Die Beretta ist leicht wie ein Fliederstrauß und verbreitet ein Gefühl von Intimität und Geborgenheit.
Der Junge weiß, was er zu tun hat.
Klick.
Er entsichert die Beretta.
»So ist gut. Mach mich glücklich.«
Das Mädchen errötet vor Erregung.
Angelo drückt ab.
Und wacht auf. Seine Blase drückt. Angelo kriecht aus dem Bett und bewegt sich leise durch das dunkle Zimmer Richtung Bad. Der Moldawier schläft und schnarcht dabei rhythmisch wie ein Lancia-Motor, Cristinas Bett ist leer. Die Tür zum Badezimmer ist verschlossen. Er klopft an und flüstert Cristinas Namen. Und dann: Die Tür zum Badezimmer geht auf, das Mädchen zieht ihn herein und schließt die Tür wieder ab. Im Badezimmer ist es ebenfalls dunkel. Nur ein schwaches Licht von draußen schimmert durch das milchige Glas des kleinen Badezimmerfensters.
Angelo stürzt wie ein Besessener Richtung Kloschüssel; dreht auf dem Weg hastig den Wasserhahn auf, so wie er das immer tut, wenn er auf die Toilette geht.
Cristina setzt sich auf den Boden und lehnt sich gegen die Badewanne.
»Das, was ich über Pippo erzählt habe, stimmt. Warum hätte ich da auch was erfinden sollen?«, fragt das Mädchen unvermittelt.
»Dann hat Pippo also das eingehalten, was er uns erzählt hat: Er ist nach seiner Entlassung aus der Zuckerfabrik in die Abruzzen gefahren und hat sich hier im Hotel erhängt.«
Cristina nickt und schenkt sich ein Glas Sekt ein. Angelo sieht das Mädchen verlegen an.
»Möchtest du mit mir trinken, Angelo?«
»Hör zu, Cristina, ich muss wirklich dringend pinkeln. Glaubst du, du könntest mich vielleicht einen Augenblick alleine lassen? Ich meine –«
»Mach ruhig. Mich stört das nicht.«
Angelo atmet tief ein und fängt an, seinen Hosengurt aufzumachen. Cristina nimmt einen Schluck aus ihrem Glas und beobachtet Angelo.
»Wegen mir musst du nicht im Sitzen pissen. Das sieht bei Männern sowieso irgendwie komisch aus. Onanier ruhig im Stehen.«
»Sehr witzig, Cristina. Wirklich.«
»Was?«
»Es heißt urinier und nicht onanier … Onanieren ist, wenn ich –«
»– was?«
»Ach, nichts. Vergiss es einfach.«
Als Angelo fertig ist, dreht er den Wasserhahn zu und setzt sich neben Cristina.
»Kannst du nicht schlafen?«, fragt ihn das Mädchen und reicht ihm mit der Bemerkung »Mit Empfehlung aus der Minibar« ein Glas Sekt.
Angelo trinkt einen Schluck und stellt das Glas wieder auf den Boden.
»Nein. Also, ich habe geträumt und bin plötzlich aufgewacht. Und dann musste ich dringend pissen.«
»Ein Albtraum?«
»Es war ein schöner Traum.«
»Und was hast du geträumt?«
»Ich weiß es nicht, ich kann mich an meine Träume nicht erinnern.«
»Und woher weißt du dann, dass es ein schöner Traum war?«
»Ich habe dieses Mädchen gesehen mit vier Muttermalen am Hals, die aussahen wie das Kreuz des Südens … im Traum, meine ich. Das ist aber auch das einzige Bild, an das ich mich erinnern kann.«
»Und? Was war so besonders daran?«
»Ich weiß nicht. Es war beruhigend und friedlich zugleich. Das Bild hat mich glücklich gemacht. Irgendwie.«
Angelo schaut verträumt zu Cristina.
»Was?«
»Irgendwie hat mich das Mädchen an dich erinnert.«
»Echt?«
Neben sich hat Cristina eine Sektflasche und einen kleinen schwarzen Rucksack. Sie streift den Rucksack mit ihren Blicken, als überlege sie, etwas da herauszuholen, dann, wieder Angelo mit den Augen
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