Zuckermacher 02 - Aschenblüten
gefolgt von Mutter, aus der Kate gestürzt, um die Jungen zu tadeln, weil sie sich zwei so vornehmen Damen gegenüber so vertraulich verhielten. Beide blieben Überrascht auf dem Weg stehen, doch unsere Überraschung war noch größer, denn wir erkannten, dass unsere Mutter ein Kind erwartete. In der Tat war ihr Bauch so riesig, dass es aussah, als würde sie jeden Moment niederkommen.
Sie zog uns so eng an sich, wie sie konnte, und weinte, und wir weinten auch und freuten uns, zu Hause in Sicherheit zu sein. »Alle meine Kinder sind beisammen«, sagte sie, »sicher eingefahren wie die Ernte!«
Knapp eine Woche später saßen Sarah und ich selbst auf der Pforte des Obstgartens, mitten zwischen den heruntersegelnden Blüten. Wir kamen gerade von Abbys Häuschen wieder, wo wir Abbys Mutter hatten erzählen müssen, dass ihre Tochter an der Pest gestorben war. Obwohl wir betont hatten, wie tapfer Abby gewesen war und dass es nur ihr zu verdanken sei, dass die kleine Grace noch lebte, war ihrer Mutter anzumerken, dass ihr ein fremdes Kind ganz und gar gleichgültig war und es ihr lieber gewesen wäre, wenn ihre eigene Tochter noch lebte. Sie weinte auch darüber, dass es keinen friedlichen Kirchhof gab, wohin sie hätte gehen und Blumen bringen können, da Abbys Leiche zusammen mit der vieler anderer in einer Pestgrube gelandet war.
»Ich wünschte, wir hätten irgendein Andenken von Abby für ihre Mutter mitgenommen«, sagte ich zu Sarah, als wir auf der Pforte saßen und Über unseren Besuch bei ihr sprachen. »Eine Haarsträhne oder irgendeinen kleinen Gegenstand - oder zumindest ein oder zwei Worte von Abby für sie.«
»Für solche Dinge war keine Zeit«, sagte Sarah. »Wir hatten zu viel damit zu tun, die kleine Grace aus dem Haus zu holen und zu fliehen. Aber vielleicht hätten wir uns als Trost für Abbys Mutter einige letzte Worte ausdenken sollen.«
Ich seufzte und nickte, denn es war ein schwieriger und unangenehmer Besuch gewesen, wir wollten die arme Frau einfach nur so bald wie möglich wieder allein lassen und nach Hause gehen. Nach einer Weile versuchte ich jedoch, nicht mehr an dieses traurige Thema zu denken. Ich warf Sarah einen Blick zu, um herauszufinden, was mit ihr los war, denn sie hatte sich den ganzen letzten Tag oder noch länger schon seltsam benommen. »Wann willst du denn wieder nach London zurückgehen?«, fragte ich sie.
»Du scheinst es ja sehr eilig zu haben.«
Ich zuckte die Achseln. »Na ja, ich dachte, wir hätten ausgemacht, dass wir wieder an die Arbeit wollen, den Laden wieder öffnen, die Kunden zurückbekommen und...«
»Und Tom wiedersehen!«, beendete sie meinen Satz.
»Das auch«, sagte ich mit einem leichten Herzklopfen.
Hierauf folgte eine lange Pause, doch schließlich sagte sie: »Du wirst vielleicht nicht sehr glücklich darÜber sein, Hannah, aber ich finde, dass wir hier bleiben sollten, bis unsere Mutter das Kind bekommen hat.«
»Das ist aber lang!«, protestierte ich, denn trotz Mutters Umfang sollte es noch Über einen Monat dauern, bis unser neues Geschwisterchen geboren wurde.
»Mutter ist nicht mehr so kräftig, wie sie war, und wir wissen nur zu gut, wie anstrengend es ist, einen Säugling zu versorgen, seit wir uns um die kleine Grace gekümmert haben«, sagte Sarah.
»Aber Anne wird ihr helfen! Und eine Magd aus dem Dorf kommt jeden Tag vorbei.«
»Die Magd hat mit den Jungen schon alle Hände voll zu tun - und Anne ist nichts als ein faules junges Gänschen!«
Ich lachte zwar, aber es stimmte: Anne hatte nichts als Spiele, Mode und Flausen im Kopf. Außerdem hatte sie sich in der Schule nie allzu viel Mühe gegeben, so dass sie kaum ihren eigenen Namen lesen und schreiben konnte.
»Sie wird unserer Mutter gewiss keine Hilfe sein!«, sagte Sarah. »Und da wir die ältesten Töchter sind, finde ich, dass wir bleiben sollten.«
Ich seufzte. »Für wie lange denn?«
»Acht Wochen oder so - vielleicht sogar zwölf. Wir werden sehen.«
Ich stieß einen Protestschrei aus und zählte es an den Fingern ab. »In zwölf Wochen ist es ja bereits Juli! Bis dahin haben wir unsere Kunden alle verloren -dann gehen sie ihr Zuckerwerk längst woanders einkaufen.«
»Unsinn!«, sagte Sarah. »Es gibt nur wenige Zuckerbäckereien in der Stadt - und wir sind wahrscheinlich die beste. Sie werden wieder zu uns zurückkommen.«
»Aber ...« Wieder stieß ich einen Seufzer aus, denn ich konnte kaum ausdrücken, wie sehr ich mir wünschte, nach London
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