Zuckermacher 02 - Aschenblüten
zurückzugehen, weil ich es selbst kaum verstand. Als wir weggegangen waren, hatte ich die stinkende Stadt gehasst und konnte es kaum ertragen, auch nur an ihren Namen zu denken. Doch jetzt, da die Pest aus ihren Straßen verschwunden war, würden die Leute zurückkommen, die Theater und Geschäfte wieder öffnen und wir würden alles wieder so heiter vorfinden, wie es zuvor gewesen war. Außerdem (und davor fürchtete ich mich am meisten) könnte Tom, wenn ich zu lange brauchte, um zurückzukehren, eine andere Liebste finden, denn wir hatten weder Versprechungen noch Schwüre ausgetauscht -nicht einmal einen Kuss.
»Ich glaube, dass wir für eine Weile hier bleiben müssen, Hannah«, sagte Sarah sanft.
Aufgebracht sprang ich vom Tor, ging ins Haus und ließ Sarah allein in die Ferne starren. Ich liebte mein Zuhause und meine Familie, doch während meiner Abwesenheit hatte ich mich von ihnen entfremdet. Obwohl wir vom Alter her nicht weit auseinander waren, kam ich mir jetzt viel älter vor als Anne, und was John, George und Adam betraf - nun, sie trieben mich in den Wahnsinn, indem sie mir immerzu hinterherrannten und mich neckten, bis ich hätte schreien können. Hinzu kam, dass Mutter zwar so lieb war wie immer, Vater jedoch oft missmutig war, sich Gedanken Über sein Geschäft machte und nicht Übermäßig begeistert zu sein schien, dass es in seinem Haus bald ein neues Baby gäbe. Alles in allem war Chertsey, nachdem sich die Aufregung um unsere Rückkehr gelegt hatte und wir unsere Abenteuer wieder und wieder erzählt hatten, genauso öde, wie ich es immer schon empfunden hatte.
Ich ging in die Kate, setzte mich auf die Fensterbank und starrte auf den Weg. Noch zwölf Wochen! Wie sollte ich das bloß aushalten? Vielleicht könnte ich Tom schreiben, zu Händen des Apothekers Doktor da Silva, dessen Lehrling er war, und ihm sagen, dass ich ihn nicht vergessen hätte und bald zurückkäme. Das hatte ich bereits von Dorchester aus getan, hatte jedoch keine Antwort bekommen. Ich war mir auch gar nicht sicher, ob er den Brief jemals erhalten hatte. Unser Brief an Vater und Mutter war jedenfalls nicht angekommen.
Ich war ganz in Gedanken versunken, als ich mit einem Mal eine Bewegung am anderen Ende des Weges wahrnahm. Ein Reiter kam auf unser Haus zu, und ich wusste sofort, dass es sich um Giles Copperly handeln musste, denn er hatte uns am Tag zuvor und am Tag vor diesem Tag aufgesucht, jedes Mal, um sich zu bedanken, dass wir ihn nach Hause gebracht hatten. Drei Besuche innerhalb einer Woche!
Als ich so in seine Richtung schaute, hielt er dort an, wo Sarah auf der Pforte saß, und stieg ab. Sarah nahm die Hand, die er ihr hinstreckte, doch anstatt ihr vom Tor zu helfen, führte er ihre Hand an den Mund und küsste sie. Sie sahen sich so lange in die Augen, während die Blüten um sie herum zu Boden fielen, dass es mir unangenehm wurde und ich den Blick abwendete.
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Das war der Grund, weswegen Sarah nicht nach London zurückwollte...
Die Jungen lagen im Bett, und es waren Kerzen angezündet, als Sarah an diesem Abend Mutter sagte, dass sie in Chertsey bleiben würde, um ihr während des Wochenbetts beizustehen.
Mutter freute sich so sehr Über diese Neuigkeit, dass ich mich schuldig fühlte, weil ich nicht so gern dableiben wollte. Dennoch konnte ich es nicht lassen, Sarah einen Seitenhieb zu verpassen, indem ich bemerkte, mir wäre aufgefallen, dass Giles Copperly zum dritten Mal aufgetaucht sei - gewiss habe er sich doch nicht wieder für unsere Hilfe bedanken wollen?
»Nein«, sagte sie und errötete dabei. »Nein, er kam nur vorbei, um zu fragen, ob ich sehen wolle, wie viele Gewürze sie in ihrem Lagerhaus in Parkshot haben. Ich werde nächste Woche zu Besuch dorthin gehen.«
Mutter, Anne und ich sahen sie alle drei an. »Ach wirklich?«, fragte Mutter.
Sarah stand auf und stocherte im Feuer herum. »Ja. Sie haben Vanille, Muskatnuss, Anissamen und eine Zimtart, von der ich noch nie gehört habe. Mr. Copperly meint, dass wir einige davon vielleicht für unser Konfekt verwenden könnten.«
»Giles Copperly!«, sagte Mutter. Das war alles, was sie sagte, doch ihr Ton sprach Bände.
»Er sieht sehr gut aus. Ist er dein Kavalier?«, fragte Anne neugierig, doch Sarah gab keine Antwort.
»Ihr zwei Mädels wollt also weitere zwei Monate hier bleiben und mir die Haare vom Kopf fressen, hm?«, warf Vater ein.
Ich sah Sarah an. »Mitte Juli sind
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