Zuckermacher 02 - Aschenblüten
Seuche verdanke ich meine jetzige Anstellung, denn in das geheime Versteck hinten im Kabinett passt nur jemand, der sehr dünn ist, und davon hängt meine Anstellung ab.«
»Du gehst also bloß hinten ins Kabinett?«, fragte Anne enttäuscht. »Es hat also gar nichts mit Magie zu tun?«
Er schüttelte den Kopf. »So Leid es mir tut.«
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Es ist keine schöne Vorstellung, dass es auf der Welt keine Magie geben soll.«
»Magie gibt es sehr wohl.« Toms Blick begegnete meinem, und wir sahen uns tief in die Augen. »Für die, die Glück haben. Aber sie hat nichts mit magischen Kabinetten zu tun oder mit Mönchen, die sich in Luft auflösen.«
Tom und ich machten einen Spaziergang. Ich wäre zu gern wieder nach Chelsea gegangen, wo wir letztes Jahr einen Tag verbracht hatten, um Wildblumen zu pflücken, doch die Sonne stand bereits tief und für die Wanderung dorthin hätten wir mehrere Stunden gebraucht. Stattdessen gingen wir also bei Ludgate aus der Stadt hinaus und nahmen eine Straße, die am Gefängnis vorbeiführte, Über den Fleet River (der furchtbar stank, weil der Sommer sehr heiß gewesen war) und von dort aus zur Straße The Strand, wo wir die neu gebauten Häuser des Adels bewunderten. Wir kamen in der Nähe des Königspalasts in Whitehall vorbei, und ich erzählte Tom davon, wie wir am Maifeiertag nach London zurückgekommen waren und Seine Königliche Hoheit auf seinem Boot gesehen hatten.
»Der Maifeiertag«, sagte Tom mit hochgezogenen Brauen, denn er versuchte sich zu erinnern, wo er sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten hatte. »Da war ich in Bath und trat in den Lustgärten auf.«
»Mit Graf deAth?«, fragte ich.
Er nickte. »Ich bin seit sechs Monaten bei ihm.«
»Ist er ein guter Mann?«
Tom zog die Stirn kraus. »Eine Katze bleibt immer eine Katze.«
Ich sah ihn an, weil ich nicht verstand, was er damit meinte.
»Er ist so gut, wie ein Quacksalber nur sein kann, aber er ist weder ein echter Graf noch auch nur Franzose.« Er lächelte. »Wenn er nicht gerade Graf de'Ath ist, gibt er sich als Doktor Marvell aus. Sagt dir >Dok-tor Marvells hervorragende Arznei< etwas?«
»Nein!«, sagte ich lachend.
»Mit Doktor Marvells Arznei kann man alles heilen, von einem Leistenbruch Über Masern und Zahnschmerzen bis hin zu Blasensteinen«, erklärte Tom feierlich. »Drei Flaschen von diesem Lecksaft genügen für ein ganzes Leben und heilen alle Krankheiten, die einem von der Geburt bis zum Tod begegnen könnten.«
»Kann man damit die Pest heilen?«, fragte ich.
»Aber selbstverständlich!«, sagte er entschieden, aber mit einem kleinen Lächeln in den Augen.
»Und woraus besteht dieser wunderbare Lecksaft?«
»Aus Nesselwasser.«
»Was ist das denn?«
»Ein paar Nesselblätter, die in Wasser getaucht werden. Vielleicht mit einem Blatt krauser Petersilie dazu, weil das Glück bringen soll.«
Ich fing an zu lachen. »Das heilt doch niemanden!«
»Aber es bringt auch niemanden um. Und wenn du glaubst, dass es dir gut bekommt, dann tut es das vielleicht auch. Und den Quacksalbern bekommt es mit Sicherheit gut«, fuhr er fort. »Es gab Hunderte von verschiedenen Mitteln gegen die Pest, und etliche Scharlatane sind dadurch reich geworden.«
»Warum bist du denn nicht bei einem anderen Apotheker in die Lehre gegangen?«, fragte ich ihn nach einer Weile.
»Weil es niemanden gab, der mein Lehrgeld bezahlt hätte«, sagte er. »Als ich mich von der Pest erholt hatte, bin ich nach Hause gereist, doch ich konnte meinen Vater und meine Stiefmutter nicht finden. Es hieß, sie seien weggezogen.« Das sagte er mit stockender Stimme, und ich drückte seine Hand und sah ihn zärtlich an, weil ich spürte, dass er sich sehr einsam gefühlt hatte. »Aber ich verstehe mich gut mit Graf deAth«, fuhr er in munterem Ton fort, »und die Arbeit macht Spaß, weil ich als Schauspieler auftrete, wenn ich nicht gerade Flaschen mit Nesselwasser herstelle.«
»Du bist also immer derjenige, der sich meldet und ins Kabinett geht?«
Er nickte. »Manchmal bin ich ein Mönch, manchmal ein Bauer und manchmal sogar eine Frau! Ich habe sechs verschiedene Verkleidungen und schreibe mir auf, wer ich an welchem Ort war, weil ich niemals zwei Mal am selben Ort in derselben Gestalt auftreten darf.«
»Im Theater habe ich dich als Dandy verkleidet gesehen«, sagte ich. »Zumindest schien es mir so, als sei es jemand, der dir sehr ähnlich sieht. Das ist zum Teil der Grund, warum wir zum
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