Zuckermacher 02 - Aschenblüten
Bartholomäus-Jahrmarkt gekommen sind - damit ich die Vorstellung noch einmal sehen kann.«
Er lächelte. »Ich bin sehr froh, dass du das getan hast.«
Ich zögerte einen Augenblick, dann sagte ich bedächtig: »Was ich nicht verstehe, ist, warum du nicht zu unserem Geschäft gekommen bist, um mich zu sehen, wenn du die ganze Zeit am Leben warst.«
»Das habe ich doch getan!«, sagte er. »Ich bin gekommen, als wir Anfang des Jahres - im Februar oder im März - in London waren.«
»Oh! Da waren wir noch in Dorchester.«
»Ich bin in aller Eile vorbeigekommen, noch in meiner Verkleidung als Mönch, und habe mit deinem Nachbarn gesprochen - dem kauzigen Besitzer vom Laden Das Pergament und die Feder.«
»Mr. Newbery.«
»Und er hat mir gesagt, dass du bestimmt tot seist und er das Geschäft Übernehmen wolle, wenn niemand darauf Anspruch erhebe.«
Ich schnappte nach Luft. »Was für ein Dreckskerl!« Dann sah ich Tom mit einem Augenaufschlag an. »Bist du denn nur ein einziges Mal gekommen, um dich nach mir zu erkundigen?«, fragte ich ihn, denn ein Mal schien mir nicht ausreichend.
Er legte den Kopf schief und lächelte. »Hast du dich denn nur ein einziges Mal nach mir erkundigt?«, entgegnete er.
»Ganz und gar nicht!«, sagte ich empört. »Als ich sah, dass Doktor da Silvas Laden geschlossen war, habe ich mich mit einer alten Frau unterhalten, die mir sagte, dass ihr ins Pesthaus gekommen und dort gestorben seid. Dann habe ich mich beim Pesthaus erkundigt und schwarz auf weiß gesehen, dass der Totenkarren dich mitgenommen hat!« Ich machte eine Pause. »Aber wie oft hast du dich denn nun nach mir erkundigt?«
»Ich habe sechs Wochen lang mit dem Tod gerungen - also wirst du bitte entschuldigen, dass ich mich zu dieser Zeit nicht nach dir erkundigt habe«, sagte er mit einem kleinen Lachen, »und dann bin ich kreuz und quer durch England gezogen, nach Bath und War-minster und Canterbury und zu den ganzen Jahrmärkten und in alle Theater, die in Graf deAths Reichweite lagen. Aber ich bin beide Male, als wir in London waren, gekommen, um mich nach dir zu erkundigen - das erste Mal, als ich mit deinem Nachbarn sprach, und dann noch einmal, am späten Nachmittag, nachdem wir im King'sTheatre aufgetreten waren. Ich habe wie wild an die Tür gehämmert, doch obwohl es ein Werktag war, hatte das Geschäft nicht geöffnet und die Läden waren geschlossen, also habe ich befürchtet, dass du wirklich gestorben bist.«
»Es war nicht geöffnet und die Läden waren geschlossen, weil ich im Theater war und dich dort gesehen habe!«, sagte ich. »Nelly Gwyn war in unserem Kaufladen gewesen und hatte uns genau für diesen Tag Karten gegeben.«
Wir warfen uns zum Spaß wütende Blicke zu, muss-ten darüber lachen und waren darum - ich jedenfalls -den Tränen nahe, weil wir einander beinahe verloren hätten und es nur ausgesprochen merkwürdigen Umständen zu verdanken war, dass wir einander wiedergefunden hatten.
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen, und Tom zog für mich ein Taschentuch aus Leinen aus seiner Tasche. Gleichzeitig kam ein leuchtend grünes Seidenband zum Vorschein.
»Ist das für mich?«, stieß ich vollkommen Überrascht hervor. »Wie schön es ist!«
»Nein, es gehört zu meiner neuen Verkleidung...«, setzte Tom an, doch er unterbrach sich und hob mein Kinn, weil ich vor Enttäuschung den Kopf gesenkt hatte. »Nein, natürlich nicht! Das war nur ein Scherz, ich habe es gestern auf dem Jahrmarkt gekauft. Und dazu gehört noch ein silbernes Medaillon, das an das Band gehängt wird und das du um den Hals tragen sollst.«
»Oh!«, sagte ich und konnte kein weiteres Wort hervorbringen oder ihm auch nur danken, weil ich vor lauter Glück und Freude ganz sprachlos war.
»Und ich freue mich, dass du heute dieses grüne Kleid trägst, weil ich es passend dazu gekauft habe«, fügte er hinzu.
Wir waren inzwischen schon ein gutes Stück außerhalb der Stadt auf einem hübschen Feldweg, der an der Themse entlangführte. Es wuchsen ganze Büschel blaue, lila und weiße Herbstastern dort, und es gab eine umgefallene Eiche, die Über und Über mit allerlei Farnen und Efeu bewachsen war. Wir setzten uns darauf, und Tom fädelte das Medaillon sorgfältig auf das Band auf und knotete es mir um den Hals. Als er damit fertig war, glitten seine Hände von meinem Hals zu meinem Gesicht. Einer seiner Finger strich meinen Wangenknochen entlang, ein anderer bebte auf meinen Lippen. Ich hob das Gesicht zu ihm
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