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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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die kühle Wand gelehnt. Er hatte es gewagt, ihre Tochter zu betatschen, in ihrem Haus. Er würde nie anders werden. Rache, schrie es in ihr, Rache. Oh Gott, ich will ihn leiden sehen, ich will über ihm stehen und meine Verachtung in sein Gesicht spucken. Hatte er geglaubt, sie würde wegsehen? So wie Mutti? Später, in der Küche, strich sie immer wieder mit den Fingern über die blitzende Klinge des Brotmessers. So ein Messer hatte sie schon einmal schützend vor sich gehalten. “Krieg”, hatte das Kind Gaby gesagt und “nie wieder”. Zacken hatte die Klinge. Solinger Stahl, hundert Jahre alte Tradition. Was sollte aus ihren Kindern werden? Ein Vater, der trinkt, die Mutter eine Mörderin? Im Wohnzimmer waren Robbie und Pappi auf der Couch eingeschlafen. Sie räumte die Gläser weg, wischte den Tisch ab, vermied jeden Blick auf die schlafenden Gesichter, hatte Angst vor der letzten Schranke, die dann fallen würde. Im Morgengrauen hatte sie an Pappi den Brief geschrieben. Daß sie ihn nie mehr sehen wollte. Daß er nie mehr in ihr Haus kommen dürfte. Daß sie ihm nie verzeihen würde, was er ihr angetan hatte. Und jetzt das mit Natalie. Sie fühle sich nicht mehr an das Versprechen gebunden, das sie Mutti gegeben hatte. “Eines Tages”, schloß sie, “eines Tages kommt Gerechtigkeit.”

    Nein, sie wollte kein Mädchen. Sie hatte Natalie vor Robbies Schlägen schützen können. Aber da war manches, wovor sie sie nicht schützen konnte. Für einen Jungen war vieles einfacher.
    “Mir ist es gleich”, sagte Hubert, als könne er ihre Gedanken lesen. “Hauptsache, es ist gesund. Aber natürlich ist es gesund. Wir Gerkens sind alle gesund.”

    Während der Entbindung sah es für eine bange halbe Stunde so aus, als würde er nicht recht behalten. Aber dann wäre es nicht die Schuld der Gerkens gewesen.
    Die Wehen kamen mit voller Kraft, Schlag auf Schlag, Hubert hielt ihre Hand fest, versuchte ihr bei den Atemübungen zu helfen. Gaby hechelte, versuchte sich zu entspannen, sich dem Schmerz nicht entgegen zu stellen. “Erst drei Zentimeter”, stellte die Hebamme nach der letzten Untersuchung fest. “Ich rufe den Arzt, das Kind liegt doch schon bereit.” Gaby klammerte sich an Hubert, kniff fester in seine Hand. “Ich kann nicht mehr”, stöhnte sie zwischen zwei Wehen. “Wie lange geht es schon?” Er sah auf die große Normaluhr über der Tür. “Vier Stunden”, sagte er. “Sei ruhig, gleich kommt der Arzt.” Die nächste Wehe kam und trug sie auf einen neuen Schmerzgipfel. Der Wehenschreiber zeichnete ihre Pein auf; wenn der Höhepunkt erreicht war, drückte Hubert ihre Hand: “Jetzt sackt es ab!” Sie hatte schon zwei Kinder geboren, problemlos, ohne viel Schmerzen, sie begriff nicht, warum sie sich jetzt schon Stunden quälen mußte. Der Professor kam, flankiert vom Oberarzt und der Hebamme. Die Untersuchung war kurz. Als der Schmerz sackte, beugte der Professor sich tief über sie. “Haben Sie irgendwann eine Operation gehabt? Ihr Muttermund hat deutliche Narbenbildung. Darum weitet er sich nicht mit den Wehen!” Eine Operation? Ja, da war eine Operation gewesen. “Wenn ich Sie nicht operiere, können Sie in einem Jahr tot sein”, hatte der Arzt damals brutal zu ihr gesagt. “Ohne Operation kann ich nicht beurteilen, ob das Geschwür bösartig ist.” Sie hatte ein Geschwür, wie Mutti. Aber sie war erst fünfundzwanzig. Nein, sie wollte nicht sterben.
    Da waren noch so viele unerledigte Dinge...
    Sie war operiert worden, es war nicht bösartig gewesen, sie hatte es vergessen.
    “Sie hätten es vor der Entbindung sagen müssen”, der Professor schüttelte unwillig seinen Kopf. “Ich hätte dann einen Kaiserschnitt vorgeschlagen.” Eine neue Schmerzwelle trug sie fort. “Und jetzt?” flüsterte sie heiser, als sie wieder sprechen konnte. “Ich werde Ihnen Lachgas geben. Und mit den nächsten Wehen den Muttermund gewaltsam weiten. Für einen Kaiserschnitt ist es zu spät.”
    Gierig sog Gaby an der Maske, die ihr die Schwester aufsetzte. Sie wollte den Schmerz nicht mehr fühlen, dies war nicht mehr zu ertragen. Sie sah Huberts Gesicht verschwinden, sie schwebte weg, der Schmerz verblaßte.
    Danach war es dann schnell gegangen. Der Muttermund war geweitet, die Preßwehen setzten sich durch, sie konnte wieder mithelfen. Um ein Uhr wurde Daniel geboren, fünf Pfund schwer, mitgenommen von einer schweren Geburt, aber gesund und ohne Makel. Hubert beugte sich über sie und über ihr

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