Zügel der Leidenschaft
elf Uhr«, fügte sie dann hinzu. »Dann werde ich baden und mich ankleiden. Ich glaube, das aprikosenfarbene Organzakleid mit dem gerüschten Oberteil wäre heute nett. Ist es nicht ein wunderbarer Morgen, Nellie?«
»Es ist sehr schön, Mylady. Aber in Easton haben wir es immer wunderbar.«
»Ja, das stimmt«, sagte Angela zufrieden seufzend.
»Ruhen Sie sich nur aus, Mylady. Wir wollen ja nicht, daß Sie dunkle Schatten unter den Augen haben.« Nellie war seit Angelas Jugendtagen ihre persönliche Zofe und behandelte sie mit der Vertraulichkeit einer alten Dienerin der Familie.
»Ich bin richtig glücklich, Nellie«, erklärte Angela strahlend und warf ihren Morgenrock auf einen Stuhl. »Das ist ein so wunderbares Gefühl!«
»Das stimmt, Mylady«, stimmte Nellie herzlich zu, erfreut, ihre Herrin in so guter Stimmung zu sehen. Das ganze Personal hier wünschte ihr mehr Glück im Leben. Ihre schreckliche Ehe wurde unter ihnen oft diskutiert, besonders, wenn Graf de Grae unverhofft auftauchte und den ganzen Haushalt durcheinanderbrachte. »Schließen Sie die Augen, und ich ziehe die Vorhänge zu und sorge dafür, daß niemand Sie vor elf Uhr stört.«
Während Angela wieder einschlief, befand Kit sich auf dem Rückweg von seinem Gasthaus in Easton Vale. Er war sofort nach Angelas Aufbruch hinuntergeritten, da er dringend ein Bad und frische Kleider brauchte – aber er hätte es unmöglich gefunden, zu schlafen. Der morgendliche Ritt wirkte erfrischend, es roch nach frischgemähtem Gras, und die schattigen Wege waren noch angenehm kühl. Easton liegt in einer sehr schönen Landschaft, dachte er mit einem Blick auf die friedlichen Felder, die sich bis an den Horizont zogen. Friedlich und unberührt, als sei die Zeit darüber hinweggegangen.
Nachdem er sein Pferd in dem perfekt restaurierten Stallgebäude untergebracht hatte, spazierte er durch den Küchengarten und betrat Stone House durch die Hintertür. Die Küche war zwar leer, doch auf dem Tisch lag ein noch warmes Brot, daneben standen eine frischgebrühte Kanne Tee und ein Steinguttopf mit Erdbeermarmelade. Rasch steckte er einen Finger hinein, um sie zu probieren. Die gutgefüllte Speisekammer hatte er bereits am Morgen ausfindig gemacht, weil er nicht sicher gewesen war, ob er im Gasthaus essen sollte. Offensichtlich sorgte diskretes Personal für die Bedürfnisse von Stone House.
Im Salon war ein neues Feuer vorbereitet. Das fiel ihm auf, als er auf dem Weg ins Schlafzimmer durch die Räume im ersten Stock ging, um seine Reisetasche abzustellen. Der Schirm war aus dem Ständer in der Eingangshalle verschwunden und durch einen Strauß Lilien und Rittersporn ersetzt. Als er die Schlafzimmertür öffnete, war die Unordnung, die er vor wenigen Stunden hier hinterlassen hatte, verschwunden. Er fragte sich, was mit der goldenen Kugel auf dem Nachttisch passiert war.
Er ließ seine Tasche auf einen Stuhl bei der Tür fallen und trat zum frischgemachten Bett. Das Bettzeug roch nach Lavendel, die spitzenbesetzten Kissen waren neu überzogen und faltenlos, die Decke hatte nun ein Muster aus Gänseblümchen – nicht mehr aus Hyazinthen.
Neugierig zog er die Schubladen der Kommode auf und begann, nach der goldenen Kugel zu suchen. Er fand sie in der zweiten Schublade rechts, zusammen mit dem verlorenen Partner – beide glänzend und bereit zum erneuten Gebrauch. Als er die Schublade weiter durchstöberte, fand er eine ganze Reihe von Sexspielzeugen, alle sorgfältig in weiße Seide gewickelt. Und mit einer Gereiztheit, die er niemandem hätte ausreichend erklären können, holte er sie alle hervor und reihte sie auf dem Frisiertisch auf.
Angela de Grae war gewiß keine gewöhnliche viktorianische Ehefrau voller Hemmungen.
Nachdem man sie um elf Uhr geweckt hatte, zog sich Angela als erstes in ihr Ankleidezimmer zurück, um das Pessar zu entfernen. Beunruhigt stellte sie fest, daß es ein wenig verrutscht war, und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, als sie es herausgleiten ließ. Kit war zu groß, sie war zu klein – eine Welle der Panik überkam sie, denn sie wußte, daß sie ihn lieben wollte, und nicht nur jetzt, sondern in jeder Minute, die er sich in Easton aufhielt. Das Ausmaß ihrer Lust überstieg alles, was sie jemals gekannt hatte. Es ging über allen Verstand und alle Vorsicht hinaus – war verzehrend.
Sie müßten Kondome 12 benutzen, aber sie hatte keine, denn das Pessar war immer ihr bevorzugtes Verhütungsmittel
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