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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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glauben, daß er dreimal am Tag eine Mahlzeit bekommen sollte. »Und sie haben mir eine Matratze in den Vorbau gelegt, weil ich nachts außerhalb der Kirche Angst habe.« Das hatte er ohne Hintergedanken und voller Demut gesagt. »Es paßt ihnen nicht, daß ich hier bin. Ich bin ihnen ein Dorn im Auge.«
    »Sie sind an Ruhe und Frieden gewöhnt«, antwortete Cadfael verständnisvoll, »und du hast ihnen nur Aufregung gebracht. Du mußt Zugeständnisse machen – das tun sie schließlich auch. Aber ab heute nacht darfst du ruhig schlafen.
    Der Stellvertreter des Sheriffs kommt heute abend in die Stadt und ihm kannst du vertrauen, das verspreche ich dir.«
    Nach all den Erfahrungen, die er in seinem kurzen Leben gemacht hatte, würde es Liliwin nicht leicht fallen, jemandem zu vertrauen, aber die Ringe und Bälle, die er liebevoll zu seinen Füßen niedergelegt hatte, erschienen ihm fast wie ein Versprechen. Er beugte sich über seine Arbeit und schwieg.
    »Und darum«, sagte Cadfael geradeheraus, »solltest du dir überlegen, ob du mir nicht lieber auch den Teil deiner Geschichte erzählen willst, den du bis jetzt ausgelassen hast.
    Denn du bist ja nicht so folgsam deiner Wege gegangen, wie du uns weismachen wolltest, stimmt’s? Was hattest du an der Tür zu Meister Walters Werkstatt zu suchen, zu einem Zeitpunkt, als du, wie du behauptet hast, schon lange auf dem Weg zum Stadttor warst? Die Tür stand offen, und dein Kopf lehnte am Türpfosten – von dieser Stelle aus kann man den Geldkasten des Goldschmieds deutlich sehen. Stand er ebenfalls offen?
    Und beugte er sich gerade darüber?«
    Liliwin stach sich in den Finger. Er ließ Nadel, Faden und Mantel fallen, steckte seinen blutenden Daumen in den Mund und sah Bruder Cadfael mit großen, ängstlichen Augen an. Mit schriller Stimme widersprach er: »Ich bin nie dort gewesen…
    Ich weiß nichts davon…« Seine Stimme erstarb, und er schlug die Augen nieder und sah auf seine Hände. Seine Wimpern waren so lang und dicht wie die einer guten Milchkuh.
    »Mein Sohn«, sagte Cadfael seufzend, »du hast dort in der Tür gestanden und in die Werkstatt gesehen. Die Spuren, die du dort zurückgelassen hast, beweisen es: Ein Bursche deiner Größe mit einer Kopfwunde hat sich jedenfalls lang genug an den Türpfosten gelehnt, um einen kleinen Blutfleck und zwei hellblonde Haare dort zu hinterlassen. Nein, nur ich habe das bemerkt – der Wind hat alles davongeweht, aber ich habe es gesehen, und ich weiß Bescheid. Und jetzt sag mir die Wahrheit: Was ist vorgefallen zwischen dir und ihm?«
    Cadfael fragte nicht, warum Liliwin gelogen hatte, indem er diesen Teil der Geschichte ausließ – das war unnötig. Hätte er denn zugeben sollen, daß er am Tatort war? Ein Unschuldiger hätte dieses Eingeständnis ebenso vermieden wie ein Schuldiger.
    In demselben Wind, der die beiden blonden Haare davongeweht hatte, saß Liliwin da und zitterte wie Espenlaub.
    Hier, zwischen diesen alten, dicken Mauern, war die Luft noch kühl, und er hatte nur ein geflicktes Hemd und eine abgetragene Hose an – der Mantel lag auf seinen Knien. Er schluckte hart und seufzte.
    »Es stimmt, ich blieb noch länger… Sie hatten mich ungerecht behandelt!« stieß er hervor. »Ich wartete im Dunkeln vor dem Haus. Sie waren nicht alle so hartherzig wie sie, und ich dachte, ich könnte vielleicht durch Bitten etwas erreichen…
    Dann sah ich ihn mit einer Laterne in die Werkstatt gehen und folgte ihm. Er war nicht so wütend gewesen, als der Krug zerbrach, und hatte versucht, die Alte zu beruhigen. Darum wagte ich es, ihn anzusprechen. Ich ging hinein und bat ihn um den Lohn, der mir versprochen worden war, und er gab mir einen zweiten Penny. Er gab mir einen Penny, und ich ging. Ich schwöre es!«
    Er hatte auch die andere Version geschworen, aber das war aus Angst geschehen, Angst, die entstanden war durch ein Leben voller Verfolgung und Demütigung.
    »Und dann bist du gegangen? Du hast nichts mehr gesehen?
    Genauer gesagt: Hast du jemanden bemerkt, der sich, wie du, im Dunkeln verborgen hatte und nach dir zu ihm hineinging?«
    »Nein, niemanden. Ich ging und war froh, daß das erledigt war. Wenn er lebt, wird er Euch sagen, daß er mir einen zweiten Penny gab.«
    »Er lebt, und er wird so bald nicht sterben«, sagte Cadfael.
    »Der Schlag, den er erhielt, war nicht tödlich. Aber bis jetzt hat er noch nichts ausgesagt.«
    »Aber das wird er, das wird er – er wird Euch erzählen, daß ich ihn

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