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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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sechzig Jahre alt, stämmig und untersetzt und hatte einen wiegenden Gang wie ein Seemann, während der Sheriff mehr als dreißig Jahre jünger, einen halben Kopf größer und dennoch zierlicher war, sich elegant und geschmeidig bewegte und ein schwermütiges Gesicht besaß. Cadfael hatte miterlebt, wie dieser junge Mann nach einem gerechten Kampf nicht nur mit seiner Bestallung, sondern auch mit einer bezaubernden Frau belohnt worden war, und war vor einigen Monaten bei der Taufe seines ersten Sohnes dabeigewesen. Die beiden verstanden sich besser, als es bei Männern gewöhnlich der Fall ist, und dennoch geschah es immer wieder, daß sie, wenn es um die Gerechtigkeit ging, auf verschiedenen Seiten standen.
    Sie lenkten ihre Schritte auf die Brücke zu, die zur Stadt führte, bogen jedoch kurz vor dem Fluß nach rechts in den Baumgürtel ab, der die Landstraße säumte. Dahinter, in Richtung des Flusses, der jetzt im Zwielicht des Abends erglänzte, fiel der Boden zu dem fruchtbaren Stück Acker-und Wiesenland ab, das dem Kloster gehörte und den Namen »die Gaye« trug. Das grünliche, klare Licht fiel durch die Zweige, als sie an die Stelle kamen, wo Liliwin sich traurig schlafen gelegt hatte, bevor er diese unfreundliche Stadt verließ. Sein Lager in dem hohen Gras sah aus wie ein Nest: Es war rund und klein, wie der Schlupfwinkel einer Haselmaus.
    »Er ist hochgeschreckt und wie ein aufgestöberter Hase mit einem Satz aufgesprungen«, stellte Hugh fest. »Seht Ihr? Hier sind junge Triebe umgeknickt – hier muß er durch die Büsche gebrochen sein. Kein Zweifel, dies ist die Stelle.« Er sah sich neugierig um, denn Cadfael suchte die Büsche ab, die hier dicht beieinander standen. »Wonach sucht Ihr?«
    »Er trug seinen Rebec in einer Leinentasche über der Schulter«, sagte Cadfael. »Der Tragriemen verfing sich in einem Zweig, aber er wagte es nicht, stehenzubleiben, und so hat er sein Instrument verloren. Als er mir das erzählte, machte er den Eindruck eines Mannes, der einen großen Verlust erlitten hat. Ich bin sicher, daß er die Wahrheit sprach. Ich würde zu gerne wissen, wo das Instrument geblieben ist.«
    Er fand die Antwort auf diese Frage noch am selben Abend, allerdings erst, als er sich von Hugh Beringar verabschiedet hatte und auf dem Rückweg zum Torhaus war. Es war ein schöner Abend, und da bis zur Komplet noch reichlich Zeit blieb, hatte Cadfael es nicht eilig. Er sah den gesetzteren Bewohnern der Klostersiedlung bei ihrem Abendspaziergang zu und beobachtete die Spiele der Jungen, die ebensowenig Lust hatten zu Bett zu gehen wie er selbst. Etwa ein Dutzend von ihnen rannte schreiend und lachend an ihm vorüber; manche waren, da sie soeben vom Fluß kamen, noch halb nackt, froren aber nicht so sehr, daß sie es eilig gehabt hätten, sich an den wannen Ofen zu setzen. Sie traten und schlugen mit Stöcken nach einem formlosen Stoffball, und einer der Jungen hatte etwas Kürzeres und Breiteres in den Händen. Es klang hohl, als er damit zuschlug, und eine einzelne Saite brummte. Es war ein schreckliches Geräusch, wie ein Hilfeschrei, der ohne viel Hoffnung auf Gehör ausgestoßen wurde.
    Der Junge, dem dieser Gegenstand gehörte, blieb hinter den anderen zurück und ließ sein Gerät im Staub schleifen. Cadfael holte ihn ein und ging neben ihm her, wobei er den Eindruck zu vermeiden suchte, er sei ein Pirat, der im Entern begriffen war.
    Der Junge sah auf, erkannte ihn und grinste. Er hatte es nicht mehr weit bis nach Hause und war seines Spielzeugs überdrüssig.
    »Was um alles in der Welt hast du denn da?« fragte Cadfael freundlich. »Und wo hast du das komische Ding gefunden?«
    Das Kind deutete mit einer vagen Handbewegung auf die Bäume, die die Gaye begrenzten. »Es lag da hinten, in einer Stofftasche, aber die habe ich am Fluß verloren. Ich weiß auch nicht, was das sein soll. So etwas habe ich noch nie gesehen.
    Ich habe keine Ahnung, was man damit machen kann.«
    »Hast du«, fragte Cadfael und betrachtete den zerbrochenen Rebec, »bei diesem komischen Ding auch einen Stock gefunden, der mit dünnen Haaren bespannt war?«
    Der Junge gähnte und ließ sein Spielzeug in den Staub fallen. »Ja, damit wollte ich Davey eines überziehen, weil er mich ins Wasser gestoßen hat, aber es ist zerbrochen. Da hab ich es weggeworfen.« So war es wohl gewesen, nachdem sich die Unbrauchbarkeit dieses Gegenstands als Waffe herausgestellt hatte, und genauso hatte er nun auch das Instrument selbst

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