Zuflucht Im Kloster
Daniel, der offenbar kein Dummkopf war, verraten, daß seine amourösen Abenteuer seinem Nachbarn nicht verborgen geblieben waren.
Und jener alte Prahlhans war also bei der Hochzeitsfeier ein willkommener Gast gewesen und mußte daher ein Kaufmann aus Shrewsbury sein, der mit einer jungen, lebenslustigen und hübschen Frau verheiratet war… Hatte er vielleicht ein zweites Mal geheiratet? Die Stadt war nicht so groß, daß Cadfael lange nachdenken mußte. Ailwin Corde hatte sich, nachdem seine erste Frau vor einigen Jahren gestorben war, gegen den Willen seines erwachsenen Sohnes noch einmal verheiratet, und zwar mit einer Schönheit namens Cecily, die weniger halb so alt war wie er…
»An Eurer Stelle würde ich meine Zunge hüten«, riet er Peche. »Wollhändler haben in dieser Stadt viel zu sagen, und nicht jeder Ehemann wird es Euch danken, wenn Ihr ihm die Augen öffnet.«
»Was, ich? Ich bin keiner, der ungefragt seine Meinung sagt.« Seine vergnügten Augen glitzerten wie Eis, und seine lange Nase zuckte. »Ich doch nicht! Ich habe einen guten Hauswirt, eine gemütliche Wohnung und keineswegs die Absicht, mir das Leben schwer zu machen. Ich freue mich über jede Abwechslung, Bruder, aber nur im stillen und für mich allein. Daran kann doch nichts Schlimmes sein.«
»Nein, da habt Ihr recht«, stimmte Cadfael ihm zu, verabschiedete sich und machte sich, in Gedanken versunken, ohne sich allerdings sicher zu sein, was er von dieser Sache halten sollte, auf der gewundenen Straße, die zum Fluß hinunterführte, auf den Rückweg zum Kloster. Was hatte er in Erfahrung gebracht? Daß Daniel Aurifaber wahrscheinlich nicht nur Händchen hielt mit Frau Cecily Corde, deren Ehemann Wolle in Wales kaufte und in England verkaufte und daher oft tagelang unterwegs war, und daß die Dame, so verliebt sie auch sein mochte, Geschenke erwartete und auch sonst recht anspruchsvoll war, während ihr junger Kavalier einen geizigen Vater und eine gleichermaßen geizige Großmutter hatte und angeblich bei passender Gelegenheit bereits kleinere Beträge gestohlen hatte. Wenn das alles stimmte, ergaben sich daraus Verdachtsmomente, die man nicht von der Hand weisen konnte. Und hatte Daniels Vater gestern nacht nicht mindestens die Hälfte der Mitgift seiner Schwiegertochter weggeschlossen?
Damit war sie dem Zugriff seines Sohns entzogen – oder war es am Ende Daniel gewesen, der den Schmuck letzte Nacht an sich gebracht hatte? So etwas kam in den besten Familien vor.
Und was hatte Cadfael außerdem erfahren? Daß Daniel, aus gutem Grund, keine hohe Meinung von seinem Nachbarn hatte, der seine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute steckte, und daß der Sohn des Goldschmieds Peche für einen der Hauptverdächtigen gehalten hätte, wenn dieser zur Tatzeit nicht ständig anwesend gewesen wäre.
Nun, man würde sehen. Vierzig Tage waren eine lange Zeit.
Das Hochamt war bereits vorbei, als Cadfael die Brücke überquert hatte und durch das Torhaus auf den großen Innenhof des Klosters ging. Bruder Jerome, Prior Roberts rechte Hand, winkte ihm.
»Der Ehrwürdige Vater bittet Euch, ihn noch vor dem Essen aufzusuchen.« Cadfael fand die Mißgunst und Mißbilligung, die Jeromes Gesicht deutlich abzulesen waren, abstoßender als Baldwin Peches unverhohlene Freude über das, was er über seine Mitbürger herausfand. »Ich hoffe, Bruder, daß Ihr der Zeit und der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen und nicht versuchen werdet, unser Kloster über die Verpflichtung des Asylrechts hinaus in diese schmutzige Angelegenheit hineinzuziehen. Es ist nicht an Euch, Euch etwas anzumaßen, das Sache des Gerichts ist.«
Wenn Jerome auch keine ausdrückliche Anweisung hatte, dies zu sagen, so hatte er doch das Recht dazu von Prior Roberts gerunzelter Stirn abgelesen. Einen so niedrigen, zerlumpten und armseligen Menschen wie Liliwin hier zu beherbergen, setzte dem Prior zu wie eine Klette, die sich an seiner Kutte festgesetzt hatte und seine aristokratische Haut reizte. Solange dieser Fremdkörper im Kloster war, würde er keine Ruhe finden – er wollte ihn entfernen und die geordnete Symmetrie seines Lebens wiederherstellen. Nicht nur er selbst, sondern auch die Mönche des Klosters, die durch diesen Eindringling aus der Außenwelt aufgestört waren, sollten ihren inneren Frieden wiederfinden. Eine Konfrontation mit Schrecken und Schmerz kann ja tatsächlich sehr aufwühlend sein.
»Der Abt wird wahrscheinlich nur wissen wollen, wie es meinen
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