Zuflucht Im Kloster
ihr gesprochen? Und sie glaubt nicht an das, was alle von mir behaupten?«
»Kein Wort! Sie glaubt – nein, sie weiß–, daß du in diesem Haus weder eine Gewalttat noch einen Diebstahl begangen hast. Und wenn alle Bürger von Shrewsbury gegen dich Anklage erheben würden, würde sie dennoch zu dir halten und dich verteidigen.«
Liliwin hielt seinen zerbrochenen Rebec in den Armen, als sei das Instrument wirklich seine Geliebte. Sein scheues, ängstliches Lächeln war im Zwielicht kaum noch zu sehen.
»Sie ist das erste Mädchen, das mich jemals nett angesehen hat. Ihr habt sie gewiß nicht singen hören, aber sie hat eine so liebliche, leise Stimme – wie eine Flöte. Wir haben zusammen in der Küche gegessen. Es war die schönste Stunde meines Lebens. Ich hätte nie gedacht… Und es ist wahr? Rannilt glaubt an mich?«
4. Kapitel
Sonntag
Vor der Prim am Sonntag morgen faltete Liliwin seine Decken zusammen und richtete sein Äußeres so gut es ging her. Er war entschlossen, die Ordnung innerhalb dieser Mauern so wenig wie möglich zu stören. Im Lauf seines unsteten Lebens hatte er wenig Gelegenheit gehabt, sich mit dem Ablauf der Gottesdienste vertraut zu machen, und Latein war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln, aber wenigstens konnte er an den Gottesdiensten teilnehmen und Gott die Ehre erweisen, wenn das dazu beitrug, den Mönchen seine Anwesenheit angenehmer zu machen.
Nach dem Frühstück sah Cadfael nach dem Schnitt in seinem Arm und entfernte den Verband von seiner Kopfwunde.
»Das heilt gut«, sagte er zufrieden. »Die Platzwunde werde ich nicht mehr verbinden, damit Luft daran kommt. Du hast gutes, sauberes Fleisch, mein Junge, wenn auch etwas zu wenig davon. Auch dein Hinken hast du verloren. Wie sieht es mit all diesen Abschürfungen aus?«
Etwas überrascht mußte Liliwin zugeben, daß die meisten seiner Schmerzen fast verschwunden waren, und um das zu beweisen, führte er Cadfael einige erstaunliche Körperverrenkungen vor. Er hatte seine Fähigkeiten keineswegs verloren. Es juckte ihn in den Fingern, mit seinen bemalten Ringen und Bällen zu üben, die noch immer in das Tuch eingeschlagen unter seinem Strohsack lagen, aber er fürchtete, daß man hier über eine solche frivole Beschäftigung die Stirn runzeln würde. Sein zerbrochener Rebec lag in einer Ecke des Vorbaus, in dem er schlief. Als er nach dem Frühstück dorthin zurückkehrte, traf er auf Bruder Anselm, der das ruinierte Instrument nachdenklich untersuchte und mit dem Finger über die schlimmsten Risse fuhr.
Der Vorsänger war über fünfzig, ein unscheinbarer, schm ächtiger, kurzsichtiger Mann mit einer zerzausten braunen Tonsur und buschigen Augenbrauen. Er lächelte dem Besitzer der übel zugerichteten Fiedel freundlich und aufmunternd zu.
»Gehört das dir? Bruder Cadfael hat mir davon erzählt. Das war einmal ein schönes Instrument. Hast du es selbst gebaut?«
»Nein. Ich habe es von einem alten Mann bekommen, der mir beigebracht hat, wie man darauf spielt. Er hat es mir gegeben, als er starb. Ich weiß nicht«, sagte Liliwin, »wie man so etwas baut.«
Es war das erste Mal, seit Liliwin in der Kirche Zuflucht gesucht hatte, daß Bruder Anselm ihn sprechen hörte. Der Mönch sah ihn aufmerksam an und legte lauschend den Kopf schief. »Du hast eine gute Stimme, sehr sicher und klar. Ich könnte dich gebrauchen, wenn du singen kannst. Aber natürlich kannst du singen! Hast du schon daran gedacht, in unser Kloster einzutreten?« Seufzend dachte er daran, daß dies unter den gegenwärtigen Umständen kaum wahrscheinlich war. »Tja, diesem armen Ding hat man übel mitgespielt, aber ich glaube, es ist noch zu retten. Wir müssen es versuchen. Und den Bogen, sagst du, hast du verloren.« Liliwin hatte nichts dergleichen gesagt – er war stumm vor Staunen. Offenbar hatte Bruder Cadfael diesen Enthusiasten genauestens informiert.
»Der Bogen ist fast noch schwieriger herzustellen als die Fiedel, das muß ich sagen, aber ich habe auch schon hübsche Erfolge gehabt. Beherrschst du noch andere Instrumente?«
»Aus den meisten bekomme ich eine Melodie heraus«, antwortete Liliwin, den langsam Begeisterung erfaßte.
»Dann komm«, sagte Bruder Anselm und faßte ihn am Arm.
»Ich werde dir meine Werkstatt zeigen, und nach dem Hochamt werden du und ich unser Bestes tun, deinen Rebec wieder zureparieren. Ich brauche einen Gehilfen für die Harze und Leime. Aber wir müssen langsam und sorgfältig zu Werke gehen. Diese
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