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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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zum Bösewicht auserkoren haben, jemanden, der nicht zu ihnen gehört, keine Heimat und keine Angehörigen hat, dann meinen sie, kein Mitleid mit ihm haben zu müssen, denn in ihren Augen ist er kaum ein Mensch und hat kein Blut, das vergossen, kein Herz, das gebrochen werden könnte. Und alles, für das man einen Sündenbock braucht, wird man, in der Überzeugung, das Rechte zu tun, ihm anlasten. Vernunftgründe spielen dabei keine Rolle. Dennoch erhob Cadfael seine Stimme, um sie niederzuschreien: »Selbst wenn dieser Mann einem Mord zum Opfer gefallen wäre, ist der Mann, den ihr beschuldigt, über jeden Verdacht erhaben. Er hat hier um Asyl gebeten und wagt es nicht, den Klosterbezirk zu verlassen. Und er hat ihn auch nicht verlassen. Wie ihr alle wißt, warten die Männer des Sheriffs draußen auf ihn. Schämt Euch, solche hirnlosen Beschuldigungen auszusprechen!«
    Eher resigniert als verbittert sagte er später, es habe Liliwin ähnlich gesehen, in aller Unschuld ausgerechnet in jenem Moment aufzutauchen. Der Junge war erschrocken und entsetzt über den Anblick des Leichnams auf der Bahre, die man im Kreuzgang abgestellt hatte, und trat auf den Hof, um besorgt zu fragen, was es damit auf sich habe, kam jedoch nicht auf den Gedanken, man könnte ihn mit diesem Todesfall in Verbindung bringen. Er wurde sogleich von zwei oder drei der jungen Burschen bemerkt, die einen triumphierenden Schrei ausstießen. Es war, als habe Liliwin einen Schlag vor die Brust bekommen – er schrak zurück und sank in sich zusammen, und auf seinem Gesicht, das in den letzten zwei Tagen deutlich entspannter geworden war, zeichneten sich Angst und Entsetzen ab.
    Mit wildem Geschrei stürzten die jungen Hitzköpfe auf ihn zu, aber Hugh Beringar war schneller. Gewandt lenkte er sein großes graues Pferd zwischen Liliwin und die aufgebrachte Menge, stieg ab und legte dem jungen Mann seine Hand auf die Schulter, was man sowohl als Festnahme wie auch als eine Geste deuten konnte, mit der der Stellvertreter des Sheriffs ihn seines Schutzes versicherte. Beringar wandte sein finsteres, strenges Gesicht den heranstürmenden Bürgern zu und sah sie unverwandt an. Die vordersten von ihnen erstarrten mitten in der Bewegung und wichen vor seinem drohenden Blick vorsichtig zurück.
    Der junge Novize hatte seine Sache außerordentlich gut gemacht und bewiesen, daß er die Lage richtig eingeschätzt hatte, denn Beringar war in großen Zügen bereits im Bilde und wußte, welche Gefahr hier drohte. Während der nun folgenden Vernehmung ließ er Liliwin nicht los – mochten sie das interpretieren, wie sie wollten-, und er lauschte Daniel Aurifabers Aussagen ebenso aufmerksam wie Bruder Cadfaels Bericht.
    »Nun gut! Prior Robert, ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr selbst dem Ehrwürdigen Vater Abt hierüber Bericht erstatten würdet. Ich muß den Ertrunkenen untersuchen sowie die Stellen, an denen er und sein Boot angespült wurden. Dabei brauche ich die Hilfe derer, die ihn gefunden haben. Und was die anderen betrifft: Wer noch etwas zu sagen hat, möge es jetzt gleich tun.«
    Und das taten sie, zaghaft zwar, aber dennoch verbittert, und entschlossen, ihrer Wut Luft zu machen. Denn daß Baldwin Peche im Fluß ertrunken war, konnte kein Zufall sein – davon waren sie fest überzeugt. Hier war ein Zeuge ermordet worden, einer, der als neugierig bekannt gewesen war und wahrscheinlich irgend etwas entdeckt hatte, das auf die Person des Täters schließen ließ. Er hatte einen Beweis für die Schuld des Jongleurs gefunden, die dieser so hartnäckig abstritt, und war in den Severn geworfen worden, bevor er seinen Mund aufmachen konnte. Hatten sie anfangs noch nur gemurmelt, so schrien sie es jetzt hinaus. Beringar ließ sie schreien. Er wußte, daß sie nicht die Ungeheuer waren, als die sie sich jetzt gebärdeten, aber er wußte auch, daß sie, zu ihrem eigenen Schaden und zu dem anderer Menschen, zu wilden Tieren werden könnten, vorausgesetzt, sie hatten einen Anlaß.
    Schließlich gingen ihnen die Worte aus, und sie standen unschlüssig da wie kleine Kinder.
    »Vor den Toren dieses Klosters halten meine Männer Wache«, sagte Beringar ruhig, »und sie haben den Mann, den ihr beschuldigt, die ganze Zeit nicht gesehen. Meines Wissens hat er keinen Schritt hinausgetan. Wie sollte er also etwas mit dem Tod dieses Mannes zu tun haben?«
    Darauf wußten sie keine Antwort, aber sie tauschten Blicke und schüttelten den Kopf, als wüßten sie ohne jeden Zweifel,

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