Zuflucht Im Kloster
geschluckt.«
»Es ist also erwiesen«, sagte Cadfael, »daß er erstickt wurde. Irgendwo an einer seichten Stelle hat man sein Gesicht in den Schlamm gedrückt und ihn danach in den Fluß geworfen, damit der Eindruck entstünde, er sei einer jener Unglücklichen, die im Severn ertrunken sind. Hier aber hat der Mörder einen Fehler begangen! Der Leichnam wurde angespült, bevor der Fluß die Spuren des Verbrechens tilgen konnte.«
Insgeheim bezweifelte Cadfael jedoch, daß diese Spuren, auch wenn der Fluß den Toten länger behalten hätte, jemals ganz getilgt worden wären. Die Wasserhahnenfußstengel hatten sich in Mund und Nase festgesetzt, und auch der feine Schlamm klebte hartnäckig an den Stellen, wo er eingedrungen war. Weit rätselhafter aber waren die Abschürfungen an Peches Rücken in Höhe der Schulterblätter und die zwei oder drei tiefen Eindrücke, die das geschwollene Gewebe dort
aufwies. Im tiefsten dieser Eindrücke war die Haut gesprungen – es handelte sich nur um eine kleine Verletzung, als habe jemand mit einem scharfen, spitzen Gegenstand auf ihn eingeschlagen. Cadfael wußte nicht, was er davon halten sollte.
Verwundert betrachtete er Peches Rücken und prägte sich den Anblick ein.
Jetzt war noch der Inhalt der Silberschale zu untersuchen.
Cadfael trug sie zum Brunnen auf dem Hof und wusch vorsichtig den feinen Schlamm weg, so daß nur die kleinen Pflanzenteile übrig blieben: einige dünne Hahnenfußstengelchen mit winzigen, abgeknickten Blüten und ein halbes Erlenblatt. Und plötzlich tauchte im graubraunen Schlamm etwas Buntes auf. Cadfael hob es auf und tauchte es ins Wasser, um den Schmutz, der daran klebte, abzuwaschen.
Glitzernd lag es in seiner Hand: Es war nur ein kleines Stengelchen mit einer Blüte, an der nur noch zwei Blütenblätter waren. Sie war rotviolett, mit dunkleren Tupfen auf den Blütenblättern, und das beschädigte Blatt, das an dem Stengel hing, hatte einen kleinen schwarzen Fleck.
Die anderen waren ihm gefolgt und sahen ihm über die Schulter. »Fuchsstein nennt man diese Blume in dieser Gegend«, sagte Cadfael, »weil ihre Wurzel zwei Verdickungen hat, die wie Kieselsteine aussehen. Sie ist recht häufig und blüht früh im Jahr, aber am Fluß habe ich sie nur selten gesehen. Diese Blume ist, wie der Erlentrieb, in seinen Mund gekommen, als er ins Wasser gestoßen wurde. Wir müssen also am jenseitigen Ufer des Flusses eine Stelle finden, an der Wasserhahnenfuß, Erlen und Fuchssteine wachsen.«
In der kleinen Bucht, in der Baldwin Peche gefunden worden war, stießen sie auf keine weiteren Spuren mehr. Die Stelle, an der Madog das Boot des Toten geborgen hatte, war noch ein Stück weiter flußabwärts, und ein so leichtes, unbemanntes Fahrzeug konnte ohne weiteres eine Meile oder mehr dahingetrieben sein, bevor es in der ersten scharfen Biegung oder an einer Sandbank angetrieben worden war. Auch Madog war der Ansicht, daß man das Ufer, an dem die Stadt lag, flußabwärts der Schleuse würde absuchen müssen, um die Stelle zu finden, wo Baldwin Peche überfallen und ermordet worden war. Eine Stelle, an der Wasserhahnenfuß im seichten Wasser unter überhängenden Erlenzweigen wuchs und an der Fuchssteine dicht am Fluß blühten.
Wasserhahnenfuß und Erlen waren am Fluß sehr häufig zu finden, aber einen Ort, an dem alle drei Pflanzen wuchsen, gab es in weitem Umkreis gewiß nur einmal.
Madog erklärte sich bereit, das Ufer abzusuchen, und Beringar würde sowohl die Aurifabers und ihre Nachbarn als auch alle Wirte der Stadt befragen, um herauszubekommen, wo man Peche in den letzten Stunden seines Lebens gesehen, mit wem er gesprochen und was er gesagt hatte. Irgend jemand mußte ihm ja begegnet sein, nachdem er am Vormittag des gestrigen Tages seine Werkstatt verlassen und John Boneth ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Es gab einiges, was Cadfael zu erledigen hatte, und vieles, über das er nachdenken mußte. Er war zu spät vom Fluß zurückgekehrt, um am Vespergottesdienst teilnehmen zu können, aber früh genug, um noch vor dem Abendessen seiner Kräuterküche einen Besuch abzustatten und nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Bruder Oswin, der die Arbeit im Augenblick ganz allein versah, hatte einiges Geschick entwickelt und war mit Recht stolz auf das, was er tat. Seit Wochen hatte er nichts mehr zerbrochen oder anbrennen lassen.
Nach dem Abendessen machte sich Cadfael auf die Suche nach Liliwin und fand ihn tief im Schatten im dunkelsten
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