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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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daß es eine Antwort auf diese Frage gab – nur fiel sie ihnen gerade nicht ein. In diesem Augenblick aber ergriff Bruder Jerome, der wie üblich hinter Robert stand, das Wort und fragte unschuldig:
    »Entschuldigt, Vater Prior, aber ist es denn sicher, daß der junge Mann die ganze Zeit hier gewesen ist? Bruder Anselm hat, wie Ihr Euch erinnert, gestern abend nach ihm gefragt. Er hatte ihn seit dem Mittag nicht mehr gesehen und außerdem bemerkt, daß er auch nicht wie sonst abends zum Essen in der Küche erschienen war. Und da ich mich für die Gäste unseres Hauses verantwortlich fühle, machte ich mich auf die Suche nach ihm. Das war, als die Abenddämmerung hereinbrach. Zu meinem Leidweisen konnte ich ihn jedoch nirgends finden.«
    Die Menge griff diese Worte begierig auf, und Cadfael sah seufzend, daß Liliwin zitterte und hart schluckte. Er brachte kein Wort heraus, und auf seiner Oberlippe, über die er nervös mit der Zunge fuhr, glänzten Schweißtropfen.
    »Sehr Ihr, der Bruder sagt es selbst! Er war nicht hier! Er war draußen und hat Baldwin umgebracht!«
    »Sagen wir lieber«, wies Prior Robert sie milde zurecht, »daß er nicht aufzufinden war.« Die tiefe Zufriedenheit, die er empfand, war ihm jedoch deutlich anzusehen.
    »Er hat sich also sein Abendessen entgehen lassen? Das würde dieser niederträchtige Hungerleider doch nur tun, wenn er anderswo etwas Dringendes zu erledigen hätte!« rief Daniel.
    »Sehr dringend! Er hat dafür gesorgt, daß Baldwin nicht gegen ihn aussagen kann!«
    »Rede!« sagte Hugh Beringar und schüttelte Liliwin an der Schulter. »Du hast doch auch einen Mund. Hast du den Klosterbezirk irgendwann verlassen?«
    Liliwin schluckte, schwieg einen endlos scheinenden Augenblick lang und stieß dann mit einem verzweifelten Stöhnen hervor: »Nein!«
    »Dann warst du gestern also hier, als man dich suchte und nirgends finden konnte?«
    »Ich wollte nicht gefunden werden. Ich habe mich versteckt.«
    Seine Stimme klang jetzt fester, da er wenigstens zum Teil die Wahrheit sprach. Aber Beringar wollte es ganz genau wissen.
    »Und du hast keinen Schritt außerhalb des Klosters getan, seit du hier um Asyl gebeten hast?«
    »Nein, nie!« keuchte Liliwin und schnappte nach Luft, als sei er völlig erschöpft.
    »Habt Ihr gehört?« rief Beringar und stellte sich vor Liliwin.
    »Da habt Ihr Eure Antwort. Ein Mann, der den ganzen Tag und Abend hier war, kann draußen keinen Mord verübt haben – wenn es sich hier überhaupt um einen Mord handelt, was noch keineswegs erwiesen ist. Geht nun wieder an Eure Arbeit, und überlaßt diese Sache den Vertretern des Gesetzes. Wenn Ihr an meiner Gründlichkeit zweifelt, versucht nur, mich daran zu hindern, meine Untersuchungen anzustellen.« Und an seine Offiziere gewandt, sagte er: »Macht den Hof von allen frei, die hier nichts zu suchen haben. Mit dem Vorsteher der Bürgerschaft werde ich später sprechen.«
    Man hatte Baldwin Peche entkleidet und in der Einsegnungskapelle aufgebahrt. Bruder Cadfael, Hugh Beringar, Madog und Abt Radulfus standen an der Bahre und betrachteten den Leichnam. In den Winkeln von Peches jetzt geschlossenen Augen waren Spuren von Schlamm, die getrocknet waren und aussahen wie die Tusche, mit der eitle Frauen versuchen, ihre Augen größer und leuchtender zu machen. Aus dem dichten graubraunen Haar des Schlossers hatte Cadfael einen abgebrochenen Erlenzweig miteinigen Blättern daran und zwei oder drei dünne Stengel Wasserhahnenfuß gezogen, deren zarte weiße Blüten jetzt verwelkten und von braunen Äderchen durchzogen waren.
    Beide Pflanzen
    waren in dieser Gegend nichts Außergewöhnliches. Erlen wuchsen vielerorts am Flußufer und an den Stellen, wo der Fluß seichter war und langsamer floß, trieben um diese Jahreszeit große Mengen Wasserhahnenfuß auf der Wasseroberfläche.
    »An der Stelle, an der ich ihn gefunden habe«, sagte Cadfael, »ist der Fluß allerdings eher reißend, und darum findet man diese Blumen dort nicht. Am jenseitigen Ufer dürften sie häufiger sein. Das ergibt auch einen Sinn: Wenn Peche zum Fischen gehen wollte, ist er wahrscheinlich am anderen Ufer in sein Boot gestiegen. Und nun wollen wir sehen, was er uns sonst noch verraten kann.«
    Er legte eine Hand unter die Wange des Toten, drehte sein Gesicht zum Licht und hob das Kinn an. Das Licht fiel in die Nasenlöcher, und man konnte sehen, daß sie von Flußschlamm verstopft waren. Cadfael fuhr mit dem Erlenzweig in ein Nasenloch und

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