Zuflucht Im Kloster
einem Augenblick auf den anderen hinausgeworfen zu werden wie ein Diener, den man beim Stehlen ertappt hat?
Ich, die für euch alle gesorgt hat, die euch satt gemacht, eure Kleider geflickt, sparsam gewirtschaftet und das Haus in Ordnung gehalten hat, wenn ihr es nur sehen wolltet oder den Anstand hättet, es zuzugeben. Und wie wird es mir gedankt?
Ich werde beiseite geschoben und soll die Hände in den Schoß legen. Oder erwartet man vielleicht, daß ich auf Geheiß einer Neuen Handlangerdienste verrichten und schrubben und scheuern und putzen soll? Nein, niemals! Soll deine Frau doch deine Bücher führen, wie sie es angeblich für ihren Vater getan hat – die Vorräte, die Küche, die Schlüssel gehören mir! Diese Familie hat mir jeden Sinn, den das Leben für mich bereit hielt, geraubt. Glaubst du vielleicht, ich werde das einzige, was mir geblieben ist, kampflos aufgeben?«
Wenn Walter diesen Streit vorausgeahnt hatte, so war es klug von ihm gewesen, sich in seine Werkstatt zurückzuziehen.
Aberwahrscheinlicher war, daß er nichts geahnt hatte und auch nicht befragt worden war, und seine Anwesenheit war auch gar nicht erforderlich.
»Aber du wußtest doch«, rief Daniel und wischte ungeduldig den Kummer beiseite, der das Leben seiner Schwester bestimmte und den sie selten, vielleicht nie, so klar ausgesprochen hatte, »du wußtest doch von meinen Heiratsplänen, und darum mußtest du auch wissen, daß meine Frau fordern würde, was ihr zusteht. Du hast gehabt, was dir zusteht, und hast kein Recht, dich zu beklagen. Natürlich genießt meine Frau Vorrechte und kann verlangen, daß du ihr die Schlüssel übergibst. Ich bestehe darauf, daß du es tust!«
Susanna wandte sich von ihm ab und sah mit funkelnden Augen ihre Großmutter an, die schweigend dabei gesessen hatte, der aber kein Wort und kein Blick entgangen war. Ihr Gesicht war grimmig und beherrscht wie immer, aber ihr Atem ging flach und schnell, und Cadfael hatte seine Finger besorgt an ihren Puls gelegt, der jedoch kräftig und stetig schlug. Sie verzog ihre dünnen, blassen Lippen zu einem bitteren Lächeln.
»Bitte, Großmutter – sagt Ihr etwas! Mein Wort gilt hier anscheinend nicht mehr so viel wie das Eure. Bin ich Euch so wenig von Nutzen gewesen, daß auch Ihr mich loswerden wollt? Habe ich mich all die Zeit nicht gut um Euch gekümmert?«
»Niemand findet etwas an dir auszusetzen«, antwortete Juliana kurz. »Darum geht es hier nicht. Ich bezweifle, daß das junge Ding, das Daniel geheiratet hat, den Haushalt auch nur halb so gut rühren wird wie du, aber ich nehme an, daß seine Frau den Willen und die Ausdauer besitzt, es zu lernen – und sei es durch ihre Fehler. Ich muß aber zugeben, daß sie das Recht auf ihrer Seite hat. Die Führung des Haushalts steht ihr zu, und sie wird sie bekommen. So ist es nun einmal – ob es dir und mir nun gefällt oder nicht. Das beste wird sein, du trennst dich kurz und schmerzlos von deinen Rechten und Pflichten, denn was sein muß, muß sein.« Und um ihr Urteil zu bekräftigen, stieß sie mit ihrem Stock einmal fest auf den Boden.
Susanna biß sich auf die Lippen und sah den dreien, die sich gegen sie vereint hatten, nacheinander ins Gesicht. Sie war jetzt ganz ruhig; der Zorn, der sie erfüllt hatte, war bitterer Verachtung gewichen.
Schließlich gab sie sich einen Ruck. »Nun gut, ich werde das tun, wozu Ihr mich zwingt. Aber nicht heute. Jahrelang bin ich die Herrin im Haus gewesen, und ich werde meine Stellung nicht mitten unter meinem Tagwerk aufgeben, ohne Zeit zu haben, Rechenschaft abzulegen. Sie soll nicht sagen können: Dies war noch nicht fertig, oder: Sie hat mir nichts davon gesagt, daß ein neuer Topf gebraucht wird, oder: Dieses Laken muß geflickt werden. Nein! Morgen werde ich ihr alles übergeben, mit einer genauen Aufstellung der Vorräte und des Hausrats. Sie soll eine Liste bekommen, auf der noch der letzte Stockfisch im letzten Faß aufgeführt ist. Es sollen klare Verhältnisse herrschen, wenn sie diesen Haushalt übernimmt.
Ich habe meinen Stolz, auch wenn ihr das anscheinend nicht sehen wollt.« Sie wandte sich wieder Margery zu, deren rundes, rosiges Gesicht einen Ausdruck hatte, der zwischen Befriedigung und Unbehagen zu schwanken schien, als könne sie sich im Augenblick noch nicht entscheiden, ob sie über ihren Sieg froh oder bekümmert sein sollte. »Morgen früh werde ich dir die Schlüssel übergeben. Da man die Vorratskammer nur durch mein Zimmer betreten
Weitere Kostenlose Bücher