Zuflucht Im Kloster
den Streit in der Halle entsetzt belauscht und stand auf der Seite seiner Herrin, die freundlich zu ihm gewesen war. Junge Leute waren immer schnell mit Empörung und Sympathie bei der Hand – den Alten war diese Gnade nicht mehr gegeben.
Die Vorratskammer, in denen die Büschel getrockneter Kräuter, die schweren irdenen Krüge mit Öl, Mehl, Hafergrütze, Trockenobst und Schmalz standen, war nur durch Susannas Zimmer zu betreten. Diese Tür war verschlossen. Juliana steckte den Schlüssel, den Baldwin Peche für sie angefertigt hatte, bevor sie das Original ihrer Enkelin gegeben hatte, in das Schloß, öffnete die Tür und betrat die Kammer, die von tausenderlei Gerüchen erfüllt war.
Sie brauchte kaum länger als zehn Minuten. Als Margery mit dem Wein, der, mit bestimmten Gewürzen versehen, der bevorzugte Schlaftrunk der alten Frau war, zurückkehrte, hatte Juliana die Tür wieder verschlossen und saß zwischen den Kissen in ihrem Winkel bei der Treppe.
»Ich habe diesem Jungen gesagt«, sagte Bruder Anselm, während er mit einer Zärtlichkeit und Sorgfalt, mit der er auch einen verletzten lieben Menschen gepflegt hätte, die Bruchstücke von Liliwins Rebec zusammenfügte, »daß, sollte er die Absicht haben, das Novizengelübde abzulegen, seiner Aufnahme in den Orden nichts entgegenstehen würde. Ein Leben, das der Musik als Gottesdienst gewidmet ist – so begabt, wie er ist, könnte er sich doch gar nichts Besseres wünschen. Und die Welt da draußen würde das Interesse an ihm verlieren und ihn endlich in Frieden lassen.«
Liliwin beugte sich über den kleinen Mörser, in dem er eifrig die Rosinen zerrieb, die der Vorsänger zur Herstellung von Leim brauchte. Er sagte nichts, aber die Röte stieg ihm ins Gesicht. Was man ihm anbot, mochte ein Leben in Sicherheit und Frieden sein, aber es war nicht das Leben, das er wollte.
Was auch immer in diesem empfindsamen, verängstigten Kopf vor sich ging – es fand sich dort nicht der Hauch einer Berufung zum klösterlichen Leben. Selbst wenn er der gegenwärtigen Gefahr entging, selbst wenn er Rannilt gewann und sie mit sich nahm, würde er nach einigen weiteren Wechselfällen des Schicksals als kleiner Gauner enden. Und was würde sie dann sein? Seine Komplizin? Oder gar eine gewiegte Taschendiebin, die auf Jahrmärkten ihr Unwesen trieb, um sie beide zu ernähren? Oder, schlimmer noch, seine Ernährerin in einem noch zweifelhafteren Gewerbe? Es geht hier um mehr, dachte Cadfael, der den beiden schweigend bei der Arbeit zusah, als um eine Anklage wegen eines Raubüberfalls. Wenn Liliwin uns schließlich verläßt, muß er besser für das Leben gerüstet sein.
»Er lernt schnell«, sagte Anselm anerkennend, »und ist sehr willig.«
»Daran zweifle ich nicht – vorausgesetzt, es handelt sich um etwas, bei dem er mit dem Herzen dabei ist«, erwiderte Cadfael und grinste, als er den kurzen Seitenblick bemerkte, den Liliwin ihm zuwarf, bevor er sich wieder über seine Arbeit beugte. »Ich fürchte nur, er wird weniger eifrig sein, wenn du versuchst, ihm statt der Neumen Lesen und Schreiben beizubringen.«
»Nein, du irrst dich. Er ist auf beides ganz versessen. Wenn er sich entschließen könnte, ein Jahr bei uns zu bleiben, könnte ich ihm die Grundbegriffe der lateinischen Sprache beibringen.«
Liliwin hielt seinen Kopf gesenkt und schwieg. Er freute sich aus tiefstem Herzen über dieses Lob, denn er war entschlossen, den großzügig angebotenen Unterricht zu nutzen. Er war gerührt über die schlichte Freundlichkeit, die ihm entgegengebracht wurde, und gab sich Mühe, seinen Lehrer nach Möglichkeit nicht zu enttäuschen. Jetzt, da man begann, seinen Beteuerungen Glauben zu schenken, auch wenn seine Unschuld noch lange nicht erwiesen war, fingen diese guten Menschen an. Pläne für seine Zukunft zu schmieden. Aber sein Platz war nicht hier, sondern an der Seite seiner Liebsten, wohin ihre gemeinsame Reise durch diese Welt sie auch fuhren mochte. Aber vielleicht würde auch das nie Wirklichkeit werden – es bestand immer noch die Möglichkeit, daß die Frist von vierzig Tagen verstrich, ohne daß seine Unschuld bewiesen werden konnte…
Als es zu dunkel geworden war, um die Restaurierung des Instruments fortzusetzen, bat ihn Bruder Anselm, auf dem Harmonium zu spielen und ein Lied zu singen, um Cadfael sein Können vorzuführen. Und als Liliwin vergaß, wo er war, und ein Liebeslied anstimmte, das zwar recht unschuldig war, aber innerhalb dieser Mauern
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