Zuflucht Im Kloster
diese Aufgabe all diese Jahre untadelig erfüllt hat, aber…«
Daniel drückte sie an sich. Seine Locken strichen über ihre Stirn. »Ja, das hat sie, und du kannst die Arbeit ihr überlassen und die Herrin des Hauses sein. Warum auch nicht?«
»Aber das ist nicht das, was ich will«, sagte Margery mit Nachdruck und starrte ins Dunkel. »Du bist ein Mann, du verstehst das nicht. Susanna arbeitet hart, und niemand könnte sich über sie beklagen. Sie kocht gut, ohne etwas zu verschwenden, und Wäsche, Hausrat und Vorräte sind in bester Ordnung, das weiß ich. Ich habe die größte Hochachtung vor ihr. Aber das alles ist die Aufgabe der Ehefrau, Daniel. Deine Mutter lebt nicht mehr, und jetzt bin ich es, der die Führung des Haushaltes zukommt.«
»Warum teilt ihr euch dann nicht die Arbeit, Liebes? Ich will nicht, daß meine Frau sich die Hände wund arbeitet«, murmelte er in ihr Haar. Zweifellos hielt er sich für sehr geschickt, denn wie allen Männern war ihm Frieden wichtiger als Gerechtigkeit oder die Einhaltung der Sitten; Margery aber war entschlossen, nicht locker zu lassen.
»Aber sie wird mir nichts von ihren Aufgaben abtreten. Sie ist schon so lange die Herrin im Haus und lehnt jedes Angebot, ihr eine Arbeit abzunehmen, ab. Montag erst habe ich sie gefragt, ob ich die Wäsche für sie vom Trockenplatz holen soll, und sie hat mir kurz angebunden gesagt, das würde sie schon selbst tun. Glaub mir – es kann keine zwei Herrinnen im Haus geben, das würde nie gutgehen. An ihrem Gürtel hängen die Schlüssel, sie sorgt dafür, daß die Vorräte ergänzt werden und daß die Wäsche sauber ist und immer ordentlich ausgebessert wird, sie gibt der Magd ihre Anweisungen, sie sucht das Fleisch aus und sorgt dafür, daß es gekocht wird, wie sie es wünscht. Wenn Besuch kommt, tritt sie als Gastgeberin auf. Das alles sind meine Rechte und Pflichten, Daniel – mir stehen sie zu. Es ist nicht recht, daß deine Ehefrau so übergangen wird. Was sollen denn die Nachbarn von uns denken?«
»Du sollst bekommen, was du willst«, sagte er mit schläfriger Stimme. »Ich sehe ein, daß meine Schwester dies alles von sich aus dir hätte übergeben sollen. Aber sie hat diesen Haushalt schon so lange geführt, daß sie wahrscheinlich gar nicht daran gedacht hat, daß ich jetzt verheiratet bin. Susanna ist eine vernünftige Frau – sie wird das einsehen.«
»Es ist nicht leicht für eine Frau, ihre Stellung aufzugeben«, gab Margery ihm zu bedenken. »Ich werde deine Unterstützung brauchen, denn deine Position wird ebenso in Frage gestellt wie meine. Versprich mir, daß du mir helfen wirst, mein Recht zu bekommen.«
Er versprach es ihr bereitwillig – in diesem Augenblick hätte er ihr alles versprochen. Aus den Krisen, die der Tag gebracht hatte, war sie gewiß eher als Gewinner hervorgegangen als er.
Das wußte sie, und sie überlegte bereits, wie sie diesen Sieg weiter nutzen konnte.
9. Kapitel
Donnerstag – vom Morgen bis zum späten Abend
Früh am nächsten Morgen ging Frau Juliana mit unsicheren Schritten die breite Treppe in die Halle hinunter. Sie war entschlossen, Bruder Cadfael, der nach dem Frühstück kommen wollte, mit der Sicherheit und Rüstigkeit einer alten Dame zu begrüßen, die ihren Haushalt nach wie vor in der Hand hat, auch wenn sie dazu ihren Platz im voraus mit Kissen auskleiden und ihren Gehstock zur Hand haben mußte. Er wußte, daß sie ihm etwas vorspielte, und sie wußte, daß er es wußte. Sie stand mit einem Bein im Grab, und manchmal fühlte sie, wie nahe sie dem Tod war. Aber dies war die letzte Komödie, die sie spielten – in Achtung und Bewunderung, wenn nicht in Liebe, ja sogar Zuneigung füreinander.
Walter war mit seinem Sohn in der Werkstatt. Juliana saß, gestützt von Kissen, in ihrem Winkel bei der Treppe, von wo aus sie alles übersehen konnte. Sie ertrug ihre Familie – zufrieden aber mit ihr war sie nicht. Ihr Leben, ihr grausam langes Leben zog sie hinter sich her wie ein junges Mädchen die schwere Hochzeitsschleppe, die es behindert und belastet und jeden Schritt zur Mühsal werden läßt.
Sobald Rannilt die Teller abgewaschen und den Brotteig durchgeknetet hatte, nahm sie sich einige Näharbeiten vor und setzte sich auf einen Hocker in der Halle, wo das Licht am besten war. Als erstes machte sie sich daran, ein schlichtes, braunes Gewand auszubessern, das über dem Saum einen Riß hatte. Das Mädchen konnte gut nähen. Rannilts Augen waren jung, Julianas Augen
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