Zuflucht Im Kloster
erinnert Euch an jene Nacht. Man suchte Meister Walter, fand ihn bewußtlos in der Werkstatt und trug ihn in sein Bett.
Und dann rief irgend jemand – keiner weiß mehr, wer es war–, daß dies das Werk des Jongleurs gewesen sein mußte, und die ganze Meute machte sich an die Verfolgung, wie alle, die hier waren, bestätigen können. Wer also blieb dort, um sich um den Bewußtlosen und die alte Frau zu kümmern?«
»Die Frauen«, sagte Beringar.
»Die Frauen. Die Braut blieb oben bei den beiden Opfern.
Susanna lief los, um einen Arzt zu holen. Niemand wird das bezweifeln. Aber ist sie gleich zu ihm gelaufen, oder hat sie sich einige Augenblicke Zeit genommen, um erst zum Brunnen zu gehen und das, was sie dort fand, an einem sichereren Ort zu verstecken?«
Für einige Augenblicke herrschte Schweigen. Sie sahen einander an.
»Ist das möglich?« sagte Beringar entgeistert. »Seine Tochter ?«
»Alles ist möglich. Überlegt doch! Der Schlosser hatte den Schlüssel zu diesem Geheimnis in der Hand. Wäre er ehrlich gewesen, dann wäre er sogleich zu Walter oder Daniel gegangen und hätte ihnen gesagt, was er wußte. Das tat er aber nicht, denn er war nicht ehrlich. Er wollte aus dem, was er herausgefunden hatte, einen Gewinn schlagen. Und wenn er die, die er für die Schuldige hielt, erst am Montag aufsuchte, dann darum, weil sich vorher keine Gelegenheit zu einem Gespräch unter vier Augen ergeben hatte. Er wußte so gut wie wir, daß alle Männer Liliwin verfolgt hatten, und daher konnte er sich denken, daß es eine Frau gewesen war, die den Schatz aus dem Brunnen geholt und ihn woanders versteckt hatte, bis etwas Gras über die Sache gewachsen und, mit etwas Glück, ein heimatloser junger Mann als Täter gehenkt worden war.
Und wer verwahrte die Schlüssel des Hauses und hatte ungehindert Zugang zu allen Verstecken, die es bieten mochte?
Natürlich Susanna. Am Montag bot sich die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte: Sie ging mit dem Wäschekorb zur Trockenwiese. Gegen Mittag des Morgens wurde Baldwin Peche zum letzten Mal gesehen – er verließ seine Werkstatt und sagte, er wolle zum Fischen gehen. Danach wurde er lebend nicht mehr gesehen.«
Liliwin, der bis dahin schweigend in seiner Ecke gesessen hatte, beugte sich plötzlich vor und fiel ihm ins Wort: »Das kann nicht Euer Ernst sein! Sie… sie war die einzige, die einzige, die je gut zu Rannilt gewesen ist. Sie ließ Rannilt zu mir, damit sie mich trösten konnte… Außer Rannilt war sie die einzige, die nicht an meine Schuld geglaubt hat…« Als ihm die Bedeutung seiner Worte bewußt wurde, hielt er inne und seufzte.
»Sie wußte, daß du weder ihren Vater niedergeschlagen noch seinen Geldkasten ausgeraubt hast. Sie wußte es nur zu gut! Und sie hatte auch guten Grund, Rannilt wegzuschicken, so daß sie, und nur sie, Gelegenheit hatte, zum Fluß zu gehen, um die Wäsche hereinzuholen, denn zu dieser Zeit war der Erpresser bereits tot.«
»Ich kann nicht glauben«, flüsterte Liliwin erschauernd, »daß sie zu solch einer Tat fähig ist. Eine Frau… und töten?«
»Du unterschätzt Susanna«, sagte Cadfael grimmig. »Auch ihre Familie hat sie unterschätzt. Und Frauen sind schon oft zu Mörderinnen geworden.«
»Nehmen wir also an, daß er ihr zum Fluß gefolgt ist«, sagte Beringar. »Und weiter? Sagt uns, was nach Eurer Meinung dort geschehen ist und wie es zu diesem Mord kam.«
»Wahrscheinlich ging er ihr nach, zeigte ihr die Münze und verlangte einen Teil der Beute für sein Schweigen. Ich glaube, daß er sie am meisten unterschätzt hat. Er hielt sie für eine schwache Frau und erwartete Ausflüchte, Lügen, vielleicht sogar flehentliche Bitten. Er rechnete wohl damit, daß es ihn einige Mühe kosten würde, sie davon zu überzeugen, daß er tatsächlich etwas wußte. Aber er hat sich sehr in ihr getäuscht.
Er hatte nicht mit einer Frau gerechnet, die sich jeder Gefahr sofort und ohne Umschweife stellte, einen Entschluß faßte und handelte. Sie beseitigte die Drohung, sobald sie ihr Gesicht zeigte. Ich nehme an, daß sie freundlich mit ihm sprach, während sie die Wäschestücke auslegte, und als er, mit der Münze spielend, am Ufer stand, richtete sie es so ein, daß sie mit einem Stein in der Hand hinter ihm vorbeiging, so daß sie ihn niederschlagen konnte.«
»Fahrt fort«, sagte Beringar. »Das ist erst die halbe Geschichte. Es ist noch mehr als das geschehen.«
»Ich glaube, Ihr wißt bereits, wie es weiterging. Ob der
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