Zuflucht Im Kloster
hatte, wußte der Junge, daß der Verdacht gegen ihn mit jedem weiteren Tag dahinschwand. »Draußen tut sich etwas, wenn wir auch noch nicht wissen was. Und der Vertreter des Gesetzes ist so vernünftig, sich meiner Meinung über dich anzuschließen.«
»Na ja, vielleicht… Aber was ist, wenn sie herausfinden, daß ich in jener Nacht nicht hier war? Ihr habt mir geglaubt, aber die anderen…« Er sah Bruder Cadfael zweifelnd an, und etwas in dem unverwandten Blick mit dem dieser ihn ansah, ließ ihn bestürzt fragen: »Ihr habt es doch nicht dem Stellvertreter des Sheriffs gesagt? Ihr habt versprochen… um Rannilts willen…«
»Mach dir keine Sorgen – Rannilts guter Name ist bei Hugh Beringar ebenso sicher wie bei mir. Er hat sie nicht einmal als Zeugin vernommen und wird es auch nicht tun, es sei denn, es kommt zu einer Verhandlung. Ob ich es ihm gesagt habe? Ja, das habe ich – aber erst, als er mir zu verstehen gab, daß er bereits die Hälfte erraten hatte. Er erkennt einen, der nicht die Wahrheit sagt, mindestens ebenso schnell wie ich. Glaub nur nicht, daß er das Nein, das er dir aus der Nase gezogen hat, geglaubt hat. Also hat er mich gefragt. Als du die Wahrheit sprachst, fand er dich überzeugender. Und wenn du Zeugen brauchst, die das, was du sagst, bestätigen, so gibt es ja immer noch Rannilt und die Torwachen, die dich ein-und ausgehen sahen. Nein, über das, was du in jener Nacht getan hast, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich wollte, ich wüßte über andere Leute ebenso gut Bescheid wie über dich.«
Während er nachdachte, spürte er, daß Liliwin ihn gespannt und vertrauensvoll ansah. »Und sonst erinnerst du dich an nichts? Auch die unwichtigste Kleinigkeit, die irgend etwas mit dem Haus zu tun hat, könnte uns weiterhelfen.«
Zögernd erzählte Liliwin ihm noch einmal, wie es dazu gekommen war, daß er im Haus des Goldschmieds seine Künste vorgeführt hatte. Der Wirt einer Wirtschaft, in der er für einen Teller Suppe gespielt und gesungen hatte, hatte ihm von der Hochzeit erzählt, die am nächsten Tag gefeiert werden sollte, und er war voller Hoffnung hingegangen und angestellt worden. Er hatte sein Bestes getan, seinen Lohn zu verdienen, aber man hatte ihn hinausgeworfen und ihn als Dieb und Mörder bis in die Kirche verfolgt. Aber das alles wußte Cadfael doch schon.
»Und wieviel von dem Haus hast du dabei zu sehen bekommen? Als du zum ersten Mal da warst, war es doch heller Tag.«
»Ich ging in die Werkstatt, aber sie schickten mich durch den Durchgang zur Tür, die in die Halle führt. Ich sollte mit den Frauen sprechen. Sie haben mich angestellt, die alte und die junge Frau.«
»Und abends?«
»Sobald ich da war, schickten sie mich in die Küche, wo Rannilt mir etwas zu essen geben sollte. Ich blieb bei ihr, bis sie mir sagen ließen, ich solle kommen und spielen und singen, während sie bei Tisch saßen, und danach spielte ich Tanzmusik und jonglierte… Wie das ausging, wißt Ihr ja.«
»Also hast du von dem Grundstück nicht mehr gesehen als den Durchgang und den Hof. Warst du nie hinten im Garten oder unten am Fluß, jenseits der Mauer?«
Mit Bestimmtheit schüttelte Liliwin den Kopf. »Ich wußte nicht einmal, daß das Grundstück hinter der Mauer noch weitergeht.
Das habe ich erst erfahren, als Rannilt mich besuchte. Als ich morgens zur Tür der Halle ging, um mit den Frauen zu sprechen, konnte ich die Mauer sehen, aber ich dachte, daß das Grundstück dort zu Ende sei. Erst Rannilt hat mir gesagt, daß dahinter die Trockenwiese liegt. Es war ja Waschtag, und sie hatte die ganze Zeit die Wäsche geschrubbt und gespült.
Gegen Mitte des Morgens war sie dann fertig. Meistens muß sie dann auch noch das Essen kochen, ein Auge auf das Wetter haben und die Wäsche abends wieder hereinholen.
Aber an diesem Tag hat Frau Susanna gesagt, daß sie sich um all das kümmern würde, und Rannilt hierher zu mir geschickt.
Und das war wirklich sehr gütig von ihr!«
Seltsam, wie Liliwins Beschreibung der Trockenwiese, die er ja nur aus Rannilts Schilderungen kannte, ein klares Bild heraufbeschwor: die sanft abfallende Wiese, die Steine zum Beschweren der Wäschestücke, die Erlen am Flußufer, die Stadtmauer, die die Wiese nach Norden abschirmte, so daß sie nur nach Süden offen war…
»Und ich erinnere mich, daß sie sagte, daß Frau Susannas Rocksaum und Schuhe naß waren, als sie vom Auslegen der Wäsche zurückkam und Rannilt weinen sah. Und trotzdem hat sie
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