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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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lassen, daß das Laufen das Gehirn frei macht und den Läufer in so etwas Ähnliches wie eine Trance versetzt. Offenbar galt das nicht für mich. Ich konnte lediglich bedauern, daß ich in den vorausgegangenen sechs Monaten außer Sex keine Leibesübungen gemacht hatte – und Geschlechtsverkehr trainierte die Muskeln anscheinend so gut wie gar nicht. Die anderen Leute im Park zogen an mir vorbei, sogar eine Gruppe von Müttern mit ihren kleinen Kindern. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken, aber so viel Energie hatte ich wegen der Hitze nicht mehr.
    Schließlich hatte ich sieben Minuten laufend und zwanzig gehend hinter mich gebracht. Ich hatte keine Ahnung, wieviel Meter oder Kilometer das waren. Jetzt holte ich mir an einem Getränkeautomaten eine Dose kaltes Aquarius, einen isotonischen Sportlerdrink. Mir war schleierhaft, wie ich das Joggen mit Akemi überstehen sollte.
    Nachdem ich meine müden Knochen nach Hause geschleppt hatte, duschte ich und machte mich daran, den Rest des Tages zu organisieren. Da die Fahrt zum Flughafen und zurück ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen würde, hatte ich nur noch ein paar Stunden, um Mr. Sakais Umzugsfirma ausfindig zu machen. Hita war nicht im englischsprachigen Telefonbuch, also mußte ich die Auskunft anrufen. Ich unterhielt mich gerade mit der ziemlich unwirschen Frau von der Telefongesellschaft, als mein Apparat die Anklopffunktion aktivierte. Ich verabschiedete mich und schaltete auf das neue Gespräch um.
    »Hier spricht Jun von Hita Toyota.« Es knisterte gewaltig in der Leitung; wahrscheinlich rief er mich vom Auto aus an.
    »Elvis!« rief ich aus. »Wie geht’s?«
    »Ich habe jemand sehr wichtigen gefunden. Ihren Käufer.«
    »Für die tansu? « Ich war verwirrt.
    »Ja, ich habe den Autokäufer gefunden, den Sie gesucht haben. Wir sind gerade im Osten Tokios. Können wir uns treffen?«
    Es war jemand bei ihm im Wagen. Das war die einzige Erklärung dafür, daß er das Wort tansu durch Auto ersetzte. »Kenne ich ihn?«
    »Ja. Er ist nur kurze Zeit hier.« Juns Stimme klang bedeutungsschwanger.
    »Sakai?« Ich atmete tief durch. »Jun-san, wie haben Sie den in Ihren Wagen gekriegt?«
    »Nicht jetzt. Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie hier sind. Ich kenne mich nicht so gut aus in Tokio. Ich fahre ständig im Kreis herum …«
    Ich dachte nach. »Sie haben gesagt, Sie sind im Osten? Fahren Sie zum Ueno Park. Der ist überall ausgeschildert. Dort treffe ich Sie in einer halben Stunde am Haupteingang.«
    »Gut. Wahrscheinlich werde ich im Parkverbot halten müssen, also kommen Sie bitte, so schnell Sie können.«
     
    Der Yoyogi Park ist eine modern angelegte, sonnige Grünanlage; beim Ueno Park hingegen handelt es sich um einen schattigen, historischen Ort mit städtischer Atmosphäre. Die Stufen, die zum südlichen Eingang des Parks führten, waren in den vergangenen Jahren ein Treffpunkt für Männer aus dem Nahen Osten gewesen, die auf der Suche nach »3K« -Jobs waren: kitsui , kitanai und kiken ,das heißt harte, schmutzige und gefährliche Arbeiten, die niemand sonst machen wollte. Die japanische Polizei hatte begonnen, diese Fremden aus dem Land zu werfen, augenscheinlich, weil ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen war, in Wahrheit jedoch, weil die Öffentlichkeit sich immer lauter über die Verbrechen beklagte, die angeblich von Ausländern begangen wurden. Das bedeutete, daß sich nun nicht mehr so viele Leute, die Schwarzarbeit suchten, am Ueno Park trafen. Darum erstaunte es mich, als ein Mann mit dunklen, lockigen Haaren auf mich zukam.
    »Brauchen Sie eine Telefonkarte? Ich verkaufe zehn Karten für zweitausend Yen! Die sind genau das richtige für Gespräche ins Ausland.«
    Ich zögerte einen Augenblick, weil ich immer Probleme hatte, Kleingeld für öffentliche Telefone zu finden. Echte Telefonkarten kosten tausend Yen pro Stück – über acht Dollar für höchstens dreißig Minuten Ortsgespräch. Karten vom Schwarzmarkt waren ein bedeutend besseres Geschäft, aber wenn ich erwischt wurde, wie ich eine benutzte, landete ich vielleicht im Gefängnis oder mußte zurück nach San Francisco. Also schüttelte ich den Kopf und ging in den Park, um Jun zu suchen.
    Wo steckte er? Ich ließ den Blick über die Familien schweifen, die zum Zoo unterwegs waren, und über die Studentengruppen, die ins Nationalmuseum wollten. Dann setzte ich mich auf die dem Parkeingang nächstgelegene Bank und wartete. Nach ein paar Minuten hörte ich ein Rascheln, und aus

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