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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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der Lage, für eine einfache Hausfrau wie mich einzukaufen.«
    »Ich habe unter großem Zeitdruck gekauft. Als ich mir die tansu in meiner Wohnung genauer angesehen habe, sind mir die Metallarbeiten aufgefallen. Die Originalbeschläge wurden durch ältere ersetzt.«
    »Was heißt das?« Nana Mihori klang eher verdutzt als wütend.
    »Daß die Kommode aus der Meiji-Zeit stammt, nicht aus der Edo-Zeit. Sie ist alt, doch bei weitem nicht das wert, was ich dafür bezahlt habe. Es tut mir leid, daß ich Sie enttäuschen muß, aber ich fürchte, ich kann sie Ihnen nicht verkaufen.« Dabei verneigte ich mich, um ihre Reaktion nicht zu sehen.
    Schließlich sagte sie: »Was wollen Sie damit machen?«
    »Ich werde sie zurückgeben.« Die Höflichkeit hinderte mich daran, ihr zu sagen, daß das wahrscheinlich nicht klappen würde.
    »Ich verstehe«, sagte Nana nach weiterem Schweigen. »Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich vertraue Ihrem Urteil. Schließlich bin ich keine Expertin, sondern nur eine Liebhaberin.«
    »Es tut mir leid, daß ich Sie enttäuscht habe. Ich würde wirklich gerne weiter nach einer Kommode für Sie suchen. Ich kann nicht erwarten, daß Sie mir die, die ich gekauft habe, abnehmen.«
    »Ich denke, wir sollten die Angelegenheit fürs erste auf sich beruhen lassen«, meinte Nana mit demselben unverbindlichen Gesichtsausdruck, mit dem sie normalerweise Gäste begrüßte, die sie zum erstenmal sah. Ich bekam eine Gänsehaut.
    »Was für eine Angelegenheit?« mischte sich eine rauhe Stimme ein.
    Akemi Mihori hatte sich von hinten an uns herangeschlichen. Sie trug nun nicht mehr ihr judo-gi ,sondern ein schwarzes Sportbustier und Shorts, unter denen kräftige Muskeln zum Vorschein kamen.
    »Akemi!« Nana Mihori schien ein wenig aus der Fassung. »Ich habe unserem Gast gerade dein Zimmer gezeigt.«
    »Sie sind also die Antiquitätenhändlerin! Hey, sind Sie nicht aus Amerika?« fragte Akemi auf englisch und schüttelte meine Hand mit einem Griff aus Stahl. Ich war froh, als sie sie wieder losließ. Mit derselben Hand wischte sie sich die feuchte Stirn ab, so daß ein paar Schweißtropfen auf mir landeten.
    »Ja. Ich heiße Rei Shimura«, sagte ich und tat so, als hätte ihr Schweiß mich verfehlt.
    »Shimura-san sagt, es gibt ein Problem mit der tansu «,erklärte Nana Mihori. Wir sprachen uns also nicht mehr mit dem Vornamen an.
    »Tatsächlich?« sagte Akemi, wieder auf englisch, obwohl Nana und ich uns auf japanisch unterhielten. »Miss Shimura, joggen Sie?«
    »Nein, ich bin nicht sonderlich sportlich.« Ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte.
    »Aber Sie schwimmen doch, oder? Jedenfalls riechen Sie nach dem Meer.« Akemi lachte schallend. »Enttäuschen Sie mich nicht. Ich dachte immer, alle Amerikaner sind Sportfanatiker!«
    »Tut mir leid. Ich habe Ihre Familie schon in mehrfacher Hinsicht enttäuschen müssen.«
    »Machen Sie sich darüber keine Gedanken«, sagte Nana mit ihrer neuen, kühlen Stimme. Plötzlich sah Akemi ihre Mutter an, als falle ihr die gespannte Atmosphäre zum erstenmal auf.
    »Ich muß los, es ist spät«, sagte ich.
    Trotz der für alle unangenehmen Situation erwartete ich, daß Nana mir noch einen Tee anbieten oder mich zumindest nach den Auslagen fragen würde, die ich während meiner zweiwöchigen Suche nach der tansu gehabt hatte. Statt dessen verabschiedete sie sich mit der Ausrede, sie müsse noch ein paar Telefonate erledigen, in Richtung ihres Büros. Ich wußte, daß sie vor Zorn kochte.
    »Einen Augenblick noch, Miss Shimura. Ich würde Ihnen gern meinen Joggingpfad zeigen. Wie können Sie in den Dingern bloß laufen?« fragte Akemi mit einem verächtlichen Schnauben, während ich mich wieder in meine engen Pumps zwängte.
    »Sie tragen doch auch ein judo-gi zum Training, oder? Und die Schuhe hier sind Teil meiner Arbeitskleidung.«
    »Aber die werden doch schmutzig, wenn Sie im ganzen Land nach schönen Antiquitäten suchen! Vorausgesetzt, Sie tun es mit ganzem Herzen …«
    »Tja, offensichtlich tue ich es nicht mit ganzem Herzen!« Ich wünschte, sie würde wieder in ihrer Turnhalle verschwinden, aber sie schlüpfte mit ihren kleinen, breiten Füßen in Laufschuhe von Asics und folgte mir nach draußen. Ein paar Meter vom Haus entfernt klopfte sie mir auf die Schulter.
    »Es feinen Damen wie meiner Mutter recht machen zu wollen, muß die Hölle sein.«
    »Ich verstehe nicht …« Ich hatte in Japan noch nie jemanden so respektlos über seinen Vater oder

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