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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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gab einen roten Knopf, den ich drücken mußte, um direkt mit Feuerwehr, Polizei oder Notarzt verbunden zu werden. Als ich hastig erzählte, was passiert war, hörte ich, daß der Mann, der mir gefolgt war, seinem Freund etwas zurief. Als ich auflegte und mich umdrehte, um ihm die Telefonkarte zurückzugeben, waren die beiden Männer bereits verschwunden.

6
    Jun Kuroi war nicht nur bei den Pfadfindern gewesen, sondern hatte auch das Judo-Team seiner Schule geleitet. Er spendete für Unicef und half seiner Großmutter jedes Wochenende im Garten. Das alles zählte er auf, als etwa fünf Minuten später ein Streifenwagen und eine Ambulanz eintrafen, doch die Polizei interessierte sich mehr dafür, was in der vergangenen halben Stunde passiert war.
    »Die Klimaanlage war ausgeschaltet«, gestand Jun. »Falls ihm zu heiß wurde, war ich nicht da, um ihm zu helfen. Es war ein schrecklicher Fehler.«
    Natürlich war es heiß gewesen in dem Wagen, aber selbst wenn Mr. Sakai die Tür nicht von innen hatte öffnen können, hätte er doch um Hilfe rufen können. Wenn er allerdings einen Herzanfall erlitten hatte, war er dazu mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen.
    »Sie werden Ihre Aussage im Polizeirevier machen. Es ist eine reine Formalität«, versicherte uns der Beamte, der aussah, als habe er die Polizeischule gerade erst abgeschlossen.
    »Aber ich brauche den Wagen für meine Arbeit«, protestierte Jun, als der Abschleppdienst kam, um den Windom zu entfernen.
    Ich sah ihn verblüfft an. Hatte er wirklich vorgehabt, mit einem Wagen nach Hakone zurückzufahren, in dem gerade jemand das Zeitliche gesegnet hatte?
    »Wir müssen uns Ihren Wagen genauer ansehen. Das ist Vorschrift«, erklärte der Beamte mit sanfter Stimme.
    Jun sah enttäuscht aus. Er murmelte den ganzen Weg zum Polizeirevier von North Ueno vor sich hin, wo wir in den großen Wartebereich geführt wurden, einen sonnigen Raum mit Comics an den Wänden und Plüschtieren auf den Schreibtischen. Es ging dort so fröhlich zu wie in einem Kindergarten, und ich kam mir auch hilflos wie ein Kind vor. Natürlich konnte ich erklären, daß meine Suche nach Nao Sakai nur zufällig mit seinem Ableben zusammentraf, aber warum sollte mir das irgend jemand glauben? Das war, als würde ich einem Lehrer erklären, ich hätte die Hausaufgabe schon gemacht, aber dann habe sie leider der Hund aufgefressen.
    Jun und ich mußten unsere Geschichte mehrere Male erzählen: zuerst in getrennten Räumen, dann zusammen. Momentan berieten sich sechs Männer von der Polizei in North Ueno, der Parkwache und der Tokio Metropolitan Police in einem anderen Zimmer. Jun und ich warteten in dem Raum mit der Kindergartenatmosphäre.
    »Seine Frau ist hierher unterwegs. Wir haben soeben einen Funkspruch bekommen, daß sie schon in der Gegend ist«, sagte uns ein junger Beamter, der einen Kaugummi mit Apfelgeschmack im Mund hatte.
    »Sie haben sie gefunden?« fragte ich überrascht. »Ich dachte, die Sakais sind umgezogen, ohne ihre neue Adresse zu hinterlassen!«
    »Wir haben Sakais Bruder in Kawasaki angerufen, und der hat gewußt, wo sie wohnt. Die Kollegen haben sie abgeholt und bringen sie hierher.«
    Als er den Schwager von Mrs. Sakai erwähnte, fiel mir Angus Glendinning wieder ein. Ich sah auf meine Uhr. Ich hätte ihn vor einer halben Stunde am Narita Airport abholen sollen. Jetzt war er allein und würde sich nicht zurechtfinden.
    Ich wußte nicht, ob der Beamte mir einen unbeaufsichtigten Anruf erlauben würde. Allzu erpicht war ich nicht darauf, mit meiner Telefonkarte vom Schwarzmarkt beobachtet zu werden. Also sah ich ihn mit schüchternem Blick an und bat ihn, den Raum zum Händewaschen benutzen zu dürfen. Der Beamte verdrehte die Augen ob der euphemistischen Umschreibung, zeigte mir aber, wo sich die Toilette befand.
    In einer Nische davor war ein öffentliches Telefon. Ich steckte meine Telefonkarte hinein, wählte eine Nummer und wurde sofort mit Hughs Voicemail verbunden. Ich hinterließ ihm eine Nachricht, wo ich mich aufhielt, und entschuldigte mich aufrichtig dafür, daß ich Angus nicht abholen konnte.
    Dann kehrte ich in den Warteraum zurück, wo Jun unruhig auf seinem Sitz hin- und herrutschte. Ich hätte ihm gern gesagt, daß ich soeben telefoniert hatte, aber natürlich war das in Anwesenheit des Beamten nicht möglich. Es hatte keinen Sinn, sich über irgend etwas zu unterhalten, also versuchte ich mich zu beruhigen, indem ich den Kanarienvögeln zusah, die hier in

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