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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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diesem Raum, in dem eigentlich keine Tiere erlaubt waren, in ihren Käfigen saßen. Vermutlich gehörten sie zum Polizeiteam, denn Kanarienvögel gehen schon beim geringsten Hauch von Giftgas ein, und vor Giftgas haben alle Japaner seit den Anschlägen in der U-Bahn Angst. Die Tiere dienten wohl als eine Art Frühwarnsystem.
    Mein Blick wanderte hinüber zur Wand, an der ein Plakat über Fahrradsicherheit hing. Weil meine kanji- Kenntnisse nicht sonderlich gut waren, brauchte ich eine gute halbe Stunde, um den Text zu lesen.
    Dann öffnete sich die automatische Tür des Polizeireviers, und zwei Beamte traten in Gesellschaft einer Frau mit Pagenschnitt ein.
    »Sakai-san, es tut mir leid, daß wir so schlechte Nachrichten für Sie haben«, sagte der Polizeichef von North Ueno, der gerade aus seinem Büro kam, und verneigte sich vor der Frau. Sie wandte sich ihm zu, und ich sah sie genauer. Da setzte mein Herz einen Schlag lang aus. Auf ihrer Nase befand sich ein großer, schwarzer Leberfleck.
    Die Frau war die Kundin, die versucht hatte, mich in Hita Fine Arts zu überbieten. Mein Schreck verwandelte sich in Wut, aber davon bekam die Frau, von der ich jetzt wußte, daß sie Mrs. Sakai war, nichts mit. Ihre tränennassen Augen waren auf den Polizeichef gerichtet.
    »Die Fahrt von Kawasaki City hierher muß sehr anstrengend gewesen sein«, sagte der Polizeichef mit leiser Stimme. »Bitte, kommen Sie doch mit in mein Büro. Mein Assistent wird Ihnen etwas zu trinken bringen.«
    »Sakai-sama!« Jun Kuroi erhob sich von seinem Platz und kniete vor Mrs. Sakai nieder. »Ich war mit Ihrem Mann zusammen. Es tut mir schrecklich leid, daß er in meinem Wagen krank geworden ist. Ich wollte ihn wiederbeleben, aber meine Freundin hier war der Meinung, daß es bereits zu spät ist …«
    »Ich muß mich setzen«, murmelte Mrs. Sakai, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Die Polizisten traten näher an sie heran und dirigierten sie in Richtung des Büros.
    »Bitte, tun Sie das nicht wieder. Sie bringen damit nur die Frau des Opfers aus der Fassung!« sagte der junge Beamte zu Jun. Ich dachte einstweilen über das nach, was ich jetzt über Nao Sakais Frau wußte. Zwar hatte ich der Polizei vom Kauf der tansu erzählt, aber ich hatte den Beamten die andere Kundin nicht beschrieben, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts über die Verbindung wußte. Wenn ich sie nun darauf hinwies, untersuchten sie den Tod von Mr. Sakai vielleicht noch genauer. Und ich wäre nicht mehr nur eine zufällige Zeugin.
    Darüber machte ich mir in der folgenden Stunde Gedanken, während sich eine Grundschulklasse sowie einige Einwohner aus der Gegend im Revier einfanden, um sich über Meldepflicht und Fahrradzulassungen zu informieren. Wenn das Leben für mich doch auch so alltäglich gewesen wäre!
    Eine Schülerin mit den Unterlagen für die Anmeldung ihres neuen Fahrrades wurde fast von einem langhaarigen Fremden umgerannt, der sich hektisch umsah, ohne auf den Weg zu achten. Der Mann war Anfang Zwanzig und trug Batikshorts sowie ein ärmelloses T-Shirt mit der Aufschrift Fükengruven .Wahrscheinlich handelt er illegal mit Schmuck, dachte ich, als ich seinen riesigen Rucksack und den langen, silbernen Eidechsenohrring sah, der fast bis zu seiner Schulter herunterbaumelte. Aber keiner der Beamten interessierte sich für ihn. Als der junge Mann die Kanarienvögel sah, trat er kichernd näher an die Käfige heran.
    »Na, wie geht’s euch?« Er steckte den Finger zwischen den Gitterstäben hindurch, zog ihn aber wieder heraus, als die Vögel zurückwichen. Dann holte er eine handgerollte Zigarette aus dem Bund seiner Shorts. Als er sich die Zigarette anzündete und den Rauch tief einsog, drehte er sich ein wenig herum, so daß ich seine tiefgrünen Augen sah. Ja, jetzt war ich mir sicher: Er war die alptraumhafte Version von Hugh – so würde mein Liebhaber wahrscheinlich aussehen, wenn er eines Tages beschloß, keine Anzüge von Paul Smith mehr zu tragen und Rastafari zu werden.
    » Oi , marijuanakai? « Der junge, kaugummikauende Beamte sprang auf und lief auf den Fremden zu.
    »Nein! Das ist doch kein Gras, oder?« mischte ich mich auf englisch ein.
    »Das ist Gewürznelke. Aber wieso interessiert dich das, Mädel?« Er blies einen Rauchring in den Käfig, und der Kanarienvogel kreischte entsetzt auf.
    »Er raucht bloß eine Nelkenzigarette«, übersetzte ich für den Beamten.
    »Und was genau ist das?« erkundigte der sich.
    »Ein Gewürz, das im

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