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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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waren eine Mischung aus älteren und neueren Stücken; zwischen den Sachen aus der Meiji-Zeit stand eine Teetruhe, die meiner Meinung nach in den zwanziger Jahren in Korea entstanden war. Vermutlich hatten dortige Schreiner sie während der japanischen Okkupation des Landes nach Anweisungen der Besatzer gefertigt.
    Dann wagte ich mich in den nächsten Raum vor, der, wie Miss Ideta mir schon gesagt hatte, ebenfalls voller Schätze war. Vor dem buddhistischen Altar standen die Fotos einiger Familienangehöriger, darunter auch das eines jungen Mannes in Armeeuniform, was mich in meiner Vermutung bestätigte, daß der Vater in Korea gewesen war. Neben seinem Bild standen die Fotos der Eltern, die genauso mürrisch dreinschauten wie die bei Nana Mihori. Sie schienen mich stirnrunzelnd zu beobachten, während ich in dem Raum herumschnüffelte. Am meisten interessierte ich mich für eine Schriftrolle mit Kalligraphie aus der Edo-Zeit, die in der tokonoma- Nische hing; mein Blick wanderte von den kräftigen, für mich unverständlichen Zeichen zum linken Rand, wo ein kleiner Riß grob mit einem Stück Klebeband repariert worden war. Wenn die Idetas so sorglos mit einem solchen Schatz umgingen, hatten sie vielleicht auch die Metallbeschläge der tansu von der Insel Sado ausgetauscht.
    Miss Ideta hatte gesagt, ihr Bruder Nomu sei der Möbelkenner der Familie. Also ging ich die staubige Treppe hinauf und folgte dem Geruch von Medikamenten, der aus einem Raum am Ende des kurzen Flurs zu dringen schien. Durch die halboffene Tür sah ich den Tropf, durch den der alte Mann im Bett versorgt wurde. Außerdem befand sich eine riesige Maschine aus Stahl in dem Zimmer, die soviel Platz einnahm wie mehrere große tansu .Jetzt begriff ich, wieso Miss Ideta von einem Platzproblem gesprochen hatte.
    »Was wollen Sie?« fragte Miss Ideta verärgert.
    »Es hat geklingelt.« Tatsächlich hatte es bei den Nachbarn geklingelt, so daß ich eine halbwegs glaubwürdige Ausrede hatte, nach oben zu kommen.
    »Danke. Das habe ich nicht gehört.« Miss Ideta erhob sich.
    »Wer ist das Mädchen? Sie sieht aus wie eine von unseren geldgierigen Cousinen.« Mr. Idetas Stimme klang genauso säuerlich, wie er roch. Er musterte mich kritisch, während ich mich verbeugte.
    »Das ist Shimura-san. Sie ist … gerade zu Besuch gekommen«, sagte Miss Ideta.
    »Was haben Sie denn für eine Krankheit?« fragte ich, als Miss Ideta nach unten gegangen war. Ich hatte nicht lange Zeit, bevor sie wiederkommen würde.
    »Ich habe Diabetes. Was sind Sie bloß für eine Krankenschwester, wenn Sie das nicht sehen?« brummte Mr. Ideta.
    »Ich bin keine Krankenschwester. Ich bin wegen der Möbel da.«
    » Heh? « Das klang, als hätte ihn jemand mit einer Nadel gestochen. »Wollen Sie mir noch mehr Möbel wegnehmen, wie dieser verdammte Sakai?«
    »Ich dachte, Sie verkaufen sie freiwillig.«
    »Ich habe lediglich einer Schätzung zugestimmt. Aber ich liege hier oben im Bett; glauben Sie, ich bekomme mit, was unten verschwindet? Mein hibachi ,meine tansu … Das kann alles schon längst weg sein.«
    Mr. Idetas Alter und seine Krankheit hatten ihn offenbar paranoid gemacht. Ich sagte: »Ihre Schwester hat mir erzählt, daß Sie beide sich auf den Verkauf einer begrenzten Anzahl von Möbelstücken geeinigt haben. Es sind immer noch eine ganze Menge Dinge unten.«
    »Meine Schriftrolle – ist sie noch da?«
    »Die Rolle, die jemand mit Klebeband repariert hat? Das war keine sonderlich gute Idee …«
    »Machen Sie sich doch nicht lächerlich!« Er schlug so heftig auf das kleine Tablett neben seinem Bett, daß der Tee überschwappte. »Ich sage Ihnen, das ist meine Schriftrolle, und sie ist unbeschädigt!«
    »Dazu kann ich nichts sagen.« Ich rettete die Tasse und setzte mich auf den Stuhl seiner Schwester. »Wenn man an alten Dingen etwas verändert, verlieren sie gewöhnlich an Wert. Ich wollte Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern, daß an den Metallbeschlägen Ihrer tansu von der Insel Sado etwas verändert wurde.«
    »Dazu hatten wir keinerlei Veranlassung. Mein Vater hat dafür gesorgt, daß alle Stücke sich in ausgezeichnetem Zustand befanden, und sie mir so vererbt. Sie sind so gut, daß man sie sogar ins Nationalmuseum stellen kann. Vielleicht hinterlasse ich sie dem Museum, auch wenn meine Schwester dann vielleicht die Fassung verliert …«
    »Was soll mich aus der Fassung bringen? Bruder, du regst dich zu sehr auf.« Miss Ideta stand in der Tür. Ich war so

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