Zuflucht im Teehaus
für Gewalteinwirkung zu erkennen sind. Möglicherweise hat tatsächlich einer Ihrer Gäste den Schlüssel an sich genommen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Hugh. »Unsere Freunde sind angesehene Leute. Sag ihm das, Rei!«
Ich mußte an Angus’ merkwürdige Freunde denken, aber sie hätten sich mit Sicherheit eher für Hughs teure Stereoanlage interessiert als für die alte tansu .Sie, versuchte ich mir nun ins Gedächtnis zu rufen, war die Wurzel allen Übels.
»Ich muß Ihnen noch etwas sagen, Lieutenant. Es geht um eine tansu ,die ich letzte Woche gekauft habe.«
»Rei, die tansu ist noch da. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, die Sprache darauf zu bringen«, sagte Hugh.
»Bitte. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.« Lieutenant Hata sah mich an.
»Möchte jemand eine Tasse Tee?« fragte ich. »Das ist eine komplizierte Geschichte, und ich warte schon eine ganze Weile darauf, daß jemand bereit ist, sie sich anzuhören.«
Ich wußte auch nicht so genau, warum ich Hata vertraute. Er trug die gleiche blaue Uniform wie die anderen, und er war jung, etwas über dreißig, und hatte freundliche Augen. Außerdem konnte er gut zuhören und unterbrach mich nicht ständig, so daß ich die Geschichte in meinem Tempo erzählen und schließlich sogar noch Einzelheiten einfügen konnte, die ich beinahe vergessen hätte. Zuerst sprach ich auf japanisch und später auf englisch, damit Hugh, der mich vom anderen Ende des Tisches aus wütend anstarrte, alles verstehen konnte.
»Wenn ich das richtig verstehe, Miss Shimura, glauben Sie, daß der Einbrecher etwas mit dem Mord an Nao Sakai und mit dem Tod des Mannes in Denen-Chofu zu tun hat?« fragte Hata mich nach einer halben Stunde.
»Genau. Die tansu stellt die Verbindung zwischen uns dreien dar. Allerdings begreife ich nicht, wieso sie so wichtig ist! Angeblich ist sie ja nur die Hälfte dessen wert, was ich dafür bezahlt habe.«
»Bevor wir weiterreden, sollte ich mich wirklich mit meinem japanischen Anwalt in Verbindung setzen«, mischte Hugh sich ein. »Er ist besser mit der Situation vertraut.«
»Besser als ich?« fauchte ich ihn an.
»Bitten Sie ihn doch, mich anzurufen, wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht«, sagte Hata, auf Ausgleich bedacht, lächelnd zu Hugh. »Ich bin dankbar für Miss Shimuras Offenheit. Zwar hat vieles von dem, was sie mir erzählt hat, mit ihrer eigenen Sicht der Dinge zu tun, aber trotzdem werde ich meinen Kollegen eine Notiz schicken.«
»Eine Notiz an Ihre Kollegen?« wiederholte ich, verärgert nicht nur über Hata, sondern auch über mich selbst, weil ich tatsächlich geglaubt hatte, er werde den Fall übernehmen.
»Ja. Ich arbeite in Roppongi, was bedeutet, daß ich für Fälle hier in der Gegend, nicht aber in Denen-Chofu oder Ueno zuständig bin.«
»Heißt das auch, daß Sie keine neuen Ermittlungen anordnen können?« Ich war entsetzt.
»Die japanische Polizei legt – wie soll ich das ausdrücken? – hinsichtlich ihrer Arbeit sehr viel Wert auf das jeweilige Revier. Ich werde mir Mühe geben, den Einbrecher zu fassen, aber die Informationen über Mr. Sakais Tod kann ich nur an meine Kollegen weitergeben. Zu weiteren Nachforschungen bin ich selbst nicht berechtigt.« Lieutenant Hata steckte die Kappe auf seinen Kugelschreiber und schob ihn in seine Brusttasche.
»Wenn hier jeder in seinem eigenen kleinen Viertel arbeitet, wie werden Verbrechen dann überhaupt gelöst?« Angus sprach mir ausnahmsweise aus der Seele.
»Durch Kooperation«, sagte Lieutenant Hata lächelnd. »Das ist so eine japanische Sitte.«
Egal, wieviel Mühe wir uns gaben: Angus, Hugh und ich schafften es einfach nicht, beim Aufräumen der Wohnung zu kooperieren. Ich kam Angus in die Quere, als ich nach meinen geschäftlichen Unterlagen suchte, und er drehte fast durch, als ich dabei eine Schachtel mit Kassetten umwarf. Ich herrschte meinerseits Hugh an, als ich entdeckte, daß er meine Seite des Kleiderschranks nach seinem Geschmack geordnet hatte.
»Überlassen wir das Aufräumen der Putzfrau«, sagte Hugh schließlich. »Eigentlich wollte sie erst am Mittwoch saubermachen, aber wenn du sie anrufst, Rei, kommt sie sicher auch schon morgen.«
»Fumie wäre uns keine große Hilfe. Was soll sie denn mit den Papieren anfangen?« widersprach ich.
»Wahrscheinlich legt sie sie alle auf einen großen Haufen«, sagte Hugh. »Dann kannst du deine Unterlagen durchgehen und ich die meinen.«
»Ich will nicht, daß noch irgendwelche Japaner
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