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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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der Welt verboten. Aber die Leute werden einfach zu alt und belasten die Gemeinschaft; auch hier wurden immer wieder Fälle von Beihilfe zum Selbstmord bekannt. Mit diesem Problem hatte die japanische Gesellschaft genauso zu kämpfen wie die amerikanische.
    Doch als ich das Wohnzimmer betrat, das voller Möbel stand, zweifelte ich daran, daß Nomu Ideta seine Schwester gebeten hatte, ihm beim Sterben zu helfen. Er hatte mir gesagt, er wolle seine Antiquitäten behalten, was sicher ein Zeichen war, daß er leben und sich weiter an ihnen erfreuen wollte. Vielleicht hatte Nomu tatsächlich recht gehabt, und jemand stahl ihm seine Schätze. Haru Ideta hatte ihren Bruder dabei belauscht, wie er mir das sagte … Hatte sie ihn umgebracht, um ihn zum Schweigen zu bringen?
    Stimmen drangen aus dem Eingangsbereich herüber. Aufgrund der Begrüßungen, die die beiden Frauen aussprachen, wußte ich, daß Haru Ideta nach Hause zurückgekehrt war. Ich war hierhergefahren, um mich mit ihr zu unterhalten, doch jetzt hatte ich Angst. Ich wollte nicht, daß sie mich entdeckte, deshalb öffnete ich die Verandatür im Wohnzimmer und schlüpfte hinaus in den Garten. Die Wäsche vom Vortag hing immer noch auf der Leine – eine Sammlung langer, altmodischer Männerunterwäsche, die wahrscheinlich Nomu gehört hatte. Die langen Unterhosen flatterten verloren im Wind, und ich hoffte, daß Mutter und Tochter daran denken würden, sie ins Haus zu holen.
     
    Zu Hause hörte ich den Anrufbeantworter ab, auf dem sich eine Nachricht von Hugh befand, der mir sagte, er und Angus seien zum Schwimmen in den Tokyo American Club gegangen. Wahrscheinlich würden sie dort noch etwas trinken und zum Abendessen bleiben. Ich ging ins Schlafzimmer, wo ich mein Kleid auszog, mich aufs Bett legte und die Augen schloß.
    Wie fühlte es sich wohl an, wenn einem langsam das Blut ausgesaugt wurde? Wurden allmählich alle Glieder taub, oder bedeutete die mangelnde Versorgung des Gehirns mit Blut lediglich, daß man einschlief? Nomu Ideta war langsam gestorben, Nao Sakai hingegen schnell und gewaltsam. Trotzdem erschien es wahrscheinlich, daß beide von ein und demselben Täter ermordet worden waren. Wer wäre als nächster an der Reihe? Als Akemi so heftig auf das Haschisch reagiert hatte, war ich der Meinung gewesen, das Ganze sei Angus’ Schuld, aber jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher. Jemand aus der Gruppe von Fremden, die zu der Party gekommen waren, hätte gut und gern etwas Gefährliches über die Schokoladenplätzchen streuen können. War es möglich, daß jemand uns alle außer Gefecht hatte setzen wollen?
    Diese Gedanken gingen mir immer wieder im Kopf herum, so daß ich nicht schlafen konnte. Ich wälzte mich unruhig zwischen den Laken, bis ich schließlich aufstand und ein Schlafmittel aus dem Arzneischränkchen im Bad holte. Es war schon seltsam, daß ich es nicht mochte, wenn Angus irgendwelche Rauschmittel zu sich nahm, ich aber keinerlei Skrupel hatte, Schlaftabletten zu schlucken. Bald schon glitt ich ins Reich der Träume hinüber.
    Ich träumte, daß ich lief. Je schneller ich wurde, desto weniger Mühe schien es mir zu machen. Ich kann’s gar nicht glauben ,rief ich über die Schulter gewandt Akemi Mihori zu, die ich überholt hatte. Laufen war wie fliegen; ich war zum Rennen geboren.
    Ein Dröhnen in meinen Ohren unterbrach meinen Lauf; durch einen Nebel hörte ich Hughs Stimme.
    »Na, bist wohl völlig ausgepowert von deinem Zerstörungsfeldzug, was?«
    Ich murmelte etwas, ohne die Augen zu öffnen.
    »Warum hast du das getan? Es sieht schrecklich aus.«
    »Hey!« Ich schlug die Augen auf. Hugh sah mich wütend an.
    »Schau nicht mich an, sondern das Zimmer!«
    Jetzt erst wurde mir klar, was er meinte: Der Einbauschrank stand offen, und seine teuren englischen Hemden waren auf dem Boden verstreut. Dazwischen lagen Kleidungsstücke von mir und die Bücher aus dem Regal. Der türkische Teppich war umgedreht, und meine Holzdrucke hingen schief an der Wand. Ich setzte mich mit einem Ruck auf. Während ich geschlafen hatte, war etwas Schreckliches passiert. »Das war ich nicht«, sagte ich, und mir wurde angst und bange. »Es muß jemand in der Wohnung gewesen sein.«
    »Die ganze Wohnung schaut so aus.« Hughs Stimme bebte. »Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, daß du halb nackt hier gelegen hast – man denke sich nur, in welcher Gefahr du warst …«
    Angus trat in die Tür, und Hugh zog hastig die Decke hoch.
    »Und wer führt das

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