Zugzwang
sind, ja. Trempe, Kriminalpolizei.«
Als Joshua ihm seinen Dienstausweis hinhielt, brach Gemurmel unter den Leuten um sie herum aus. Sein Gegenüber, ein untersetzter, älterer Herr mit lichtem hellgrauem Haar, lachte kurz auf. Über seinen mächtigen Bauch spannten sich rotblaue Hosenträger.
»Ich glaube, Sie sind jetzt der Fünfte, der was von mir will. Sprechen Sie sich denn gar nicht ab, meine Herren?«
Eine Frau mittleren Alters hinter ihm kicherte. Daniel übernahm das Wort.
»Herr Woelke, wir arbeiten pausenlos und dementsprechend tauchen immer wieder neue Erkenntnisse auf. Könnten wir uns im Haus unterhalten?«
Woelke drehte sich zu den anderen herum und hob entschuldigend die Arme.
»Dann will ich mal wieder der Staatsgewalt helfen.«
Die Wohnung roch muffig. Überall waren kleine Schränkchen und Tische verteilt. Dazwischen befanden sich etliche Bodenvasen mit künstlichen Blumen. Alles war von einer feinen Staubschicht überzogen. Daniels Blick blieb an einem Regal mit Videokassetten hängen. Die Sammlung schien ausschließlich aus Pornofilmen zu bestehen.
»Kann ich Ihnen mal leihen, wenn Sie möchten. Sind echt scharfe Sachen dabei. Die bekommen Sie nicht überall.«
»Nein, danke. Herr Woelke, uns interessiert, ob Sie Herrn Groding gestern am späten Nachmittag in Begleitung eines anderen gesehen haben.«
Woelke sah ihn fragend an und wies ihnen mit einer Armbewegung einen Platz auf dem Sofa zu. Daniel schob einen Stapel alter Zeitungen beiseite. Der Aschenbecher vor ihnen war randvoll. Woelke nahm gegenüber in einem Sessel Platz und antwortete.
»Nein. Man hängt ja auch nicht die ganze Zeit am Fenster. Obwohl …«
Mit dem Daumen ließ er den Porzellanverschluss einer Bierflasche vor sich herunterspringen und genehmigte sich einen Schluck.
»So gegen fünf ging die Wohnungstür auf. Waren auch Stimmen zu hören. Was die gesprochen haben, konnte ich nicht verstehen. Als ich an der Tür war, waren die schon drin.«
Woelke biss sich auf die Lippen. Er errötete leicht.
»Ich, äh, musste zur Toilette«, stotterte er.
»Schon klar. Das war es auch schon, was wir wissen wollten.«
Joshua stand auf und reichte ihm die Hand.
»Kann ich jetzt eigentlich putzen?«
Daniel und Joshua sahen ihn an.
»Ich bin mit der Reinigungswoche dran. Eigentlich gestern, aber ging ja nicht. Ihre Kollegen haben ja alles versaut, bis in den Keller. Wenigstens waren sie nicht auf dem Speicher. Komisch eigentlich, aber gut.«
»Was ist denn auf dem Speicher, Herr Woelke?«
Zum zweiten Mal wünschte Woelke sich, seine Worte doch vorher zu überdenken.
»Och … eigentlich nichts«, er machte dabei eine abweisende Handbewegung. Als er die neugierigen Blicke der Polizisten bemerkte, sprach er kleinlaut weiter. So, als würde er über eine völlig unwichtige Banalität sprechen.
»Da hat jeder Mieter noch so einen kleinen Bretterverschlag. Sind da irgendwann hingekommen, als keiner mehr seine Wäsche da oben trocknete. Ich hebe dort den Weihnachtsschmuck und solche Dinge auf.«
Joshua hoffte, der Gedanke, der ihm soeben durch den Kopf schoss, möge nicht real werden.
»Wer hat die Schlüssel zu diesen Verschlägen?«
»Die Mieter selber. Das heißt, bei Groding ist nur so ein Holzpflock durch die Lasche gesteckt. Der hat da auch nur alte Zeitschriften und so’n Krempel drin.«
Joshua und Daniel sahen sich an und liefen los. Woelke schlüpfte in seine Schuhe und war im Begriff, die Schnürsenkel zu verknoten.
»Sie bleiben bitte hier, Herr Woelke!«
Pikiert sah er die beiden an. Er wollte gerade antworten, als Joshua seine Wohnungstür von außen zuzog. Eilig hasteten sie hoch.
»Woher wollen wir jetzt wissen, welcher Verschlag es ist?«
»Hast du doch gehört. Der mit dem Holzpflock.«
Joshua hatte genug von Woelke. Er öffnete die Tür zum Speicher. In dem spärlichen Licht, das durch zwei kleine Dachluken eindrang, waberte eine große Staubwolke. Daniel betätigte einen alten Drehschalter und eine von Spinnweben umgarnte kleine Lampe erhellte den Raum. Wenige Meter vor ihnen lag eine tote Taube auf dem Boden. Die dicke Dreckschicht, die kreisförmig um den Kadaver lag, ließ darauf schließen, dass ihre Entsorgung die Mieter vor ein Problem stellte. An der linken Seite war eine Wand aus Holzspalieren. Alle zwei Meter befand sich mittig ein Vorhängeschloss. Sie sahen sich kurz an und Daniel zeigte mit dem Daumen über seine Schulter. Hinter dem Treppenhaus befand sich die andere Hälfte des
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