Zugzwang
für Rosa Schändler aufheben? Joshua versuchte, sich in die Lage des Staatsanwaltes zu versetzen. Welche Gründe konnte er gehabt haben? Wie hat er sonst in vergleichbaren Situationen reagiert? Dann fiel ihm etwas auf.
»Er hat mich nicht gefragt«, murmelte er.
»Was sagst du?«
Joshua sah ihn mit klarem Blick an.
»Er hat mich nicht gefragt. König. Er hat mich nicht gefragt.«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen.«
»Vor drei Jahren hatten wir einen Mord an einem jungen Türken aufzuklären. Es handelte sich um eine Familienfehde. Seine Freundin hatte den Täter gesehen. Als wir den mutmaßlichen Mörder hatten, war sie sich aber nicht sicher. Der Täter legte ein Geständnis ab, obwohl wir praktisch nichts in der Hand hatten. Der Polizeischutz für das Mädchen sollte aufgehoben werden. Da kam König zu mir und fragte mich nach meiner Meinung. Ich teilte ihm mit, dass ich Zweifel hatte. Und was machte König?«
Daniel schüttete sich Rotwein nach und antwortete ihm gelangweilt.
»Er zog unsere Leute ab.«
»Eben nicht. Er sagte mir, solange noch die geringsten Zweifel bestehen, wird der Personenschutz aufrecht gehalten. Die Sicherheit der Zeugin hat oberste Priorität!«
Daniel wirkte jetzt nachdenklich. Joshuas Gedanken kreisten immer noch um Rosalinde Schändler. Warum musste sie sterben? Warum hatte König sie fallen gelassen? Hatte er es wirklich? War die Sachlage nicht eindeutig? Was war mit Winnie? Sein Dienststellenleiter hatte ihm immer vertraut, sich immer vor ihn gestellt. Den Eindruck hatte er zuletzt nicht mehr.
»Vielleicht hat er dich nicht gefragt, weil die Indizien klar waren. Der Mord sah ja zunächst wie ein Selbstmord, ja wie ein Schuldeingeständnis aus. Es war für ihn möglicherweise so eindeutig, dass er dich nicht mehr zu fragen brauchte.«
»König ist kein Polizist. Er ist ein Analytiker. Schuldeingeständnissen vertraut er nicht, er will unwiderlegbare Beweise. Darum hat er mich damals nach dem Geständnis auch gefragt. Das alleine war ihm suspekt. Verstehst du mich, Daniel?«
Daniel entledigte sich seiner Krawatte, legte sie akkurat auf ein Regal neben dem Küchentisch und öffnete zwei Knöpfe an seinem Hemd.
»Wie ist es denn damals ausgegangen?«
»Der vermeintliche Täter wollte seinen Sohn schützen und hat deshalb das falsche Geständnis abgegeben.«
»Ein Grund mehr für deine Zweifel.«
»Nicht nur das. Warum hat er uns keine Durchsuchungsanordnung für das Institut von diesem Bönisch gegeben? König hätte uns das Schlafzimmer des Kanzlers durchsuchen lassen für den geringsten Verdacht. Brisante Forschungsergebnisse«, Joshua machte eine abfällige Handbewegung, »das hätte ihn nie gestört. Nichts ist brisanter als ein Mord, hat er mal gesagt.«
Daniel sah ihn mit zweifelnder Miene an.
»Du weißt doch genau, wie unsere Behörde zum Sparen angehalten wird. Gerade König nimmt sich das doch sehr zu Herzen. Ich glaube, du überbewertest seine Reaktion. Er war ja auch nicht alleine mit seiner Meinung. Die Kollegen dachten doch auch …«
Joshua winkte erneut ab. Für ihn blieb es ominös.
»Wieso hält Winnie sich da komplett raus?«
»Wir können ihn ja morgen fragen. Mich interessiert im Moment, warum die beiden Kollegen behaupten, den Speicher von Groding untersucht zu haben, obwohl es nicht so ist.«
Joshua begann zu schwitzen. Bei einem Fall dieser Kategorie schien nichts mehr undenkbar zu sein.
21
Nicht die kleinste Wolke war an diesem sonnigen Maimorgen zu sehen. Die Meteorologen meldeten frühlingshaftes Wetter mit Temperaturen über zwanzig Grad. Joshua beschlich eine merkwürdige Unruhe. Er fragte sich, wie Winnie ihn heute empfangen würde. Immerhin hatte sein Chef ihn zur Sitte abgeschoben und nun kam er als Mitarbeiter des Landeskriminalamtes in die Dienststelle. Es war kurz vor acht Uhr und lediglich zwei Parkplätze waren noch frei. Daniel schloss das Verdeck und nahm sich aus dem Handschuhfach eine Tube Haargel. Joshua wurde ungeduldig, als sein Kollege anfing, seine Haare mit einem kleinen Kamm fast einzeln zurecht zu legen.
»Ich gehe schon mal, das scheint noch etwas zu dauern.«
»Bin ja schon fertig. Hättest dich wenigstens rasieren können.«
Joshua schluckte. War das jetzt ein Witz?
»Ja Mutti.«
Im Büro fand Joshua einen Zettel auf seinem Schreibtisch.
»Treffen um 8.30 Uhr / Kantine – Elsing.«
Daniel, der ihm über die Schulter sah, konnte sich einen Kommentar dazu nicht verkneifen.
»Na bitte. Die ersten
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