Zuhause in deinen Armen
Januarsonne spiegelte sich im Wasser, und Morgan blieb auf der Brücke stehen, um Jack zu erklären, woran man Enten, Schwäne und Blesshühner erkennen könne.
„Dummkopf!" schalt Jodie ihn scherzhaft, als er gar nicht aufhören wollte.
"Er muss die Sprache hören", verteidigte sich Morgan. Nach einer Pause setzte er mit Überzeugung hinzu: "Er wird einmal ein Genie."
„Dann ähnelt er nicht seinem Vater."
Morgan ging langsam weiter. "Ich bin gespannt, wem er eines Tages ähnlich sein wird."
Jodie bereute schon, so vorlaut gewesen zu sein. Morgan war zwar nicht gekränkt, aber seine Stimmung hatte sich verändert, und er blickte so finster vor sich hin, dass Jodie fast erschrak. Sie hatte wieder den Fehler gemacht, ihn an seine Frau zu erinnern.
Der Rest des Spaziergangs verlief in Schweigen, was Jodie nur sich selbst zuschob. Wahrscheinlich war Morgans Frau gestorben, und bei jeder Erwähnung schmerzte ihn der Verlust aufs Neue. Er hing noch an ihr, und genau das wollte Jodie nicht. Sie wollte, dass er die Vergangenheit vergaß und ein neues Leben anfing. Ein Leben, in dem ...
Entsetzt über so viel Egoismus, versuchte Jodie, ihn aufzuheitern. "Ich habe beschlossen, für uns zu kochen", erklärte sie, als sie das Haus durch den Hintereingang betraten und sich die dicken Jacken auszogen. "Machen Sie also rechtzeitig Ihr Testament."
Morgan lachte, und Jodie fiel ein Stein vom Herzen. "Wie wäre es mit einem herzhaften Brunch?" schlug er vor. "Wir sind schon seit Stunden auf und haben noch nichts gegessen. Sie können doch mit einem Herd umgehen?"
Jodie zog die Augenbrauen hoch. "Ist er bösartig?"
"Je nachdem. Warten Sie lieber, bis ich Jack versorgt habe. Dann komme ich in die Küche und gebe von einem bequemen Stuhl aus die Kommandos."
Seltsam, dachte Jodie, als sie kurz darauf den Bratrost mit Speckscheiben belegte und in den Backofen schob. Bei Ken war mir Hausarbeit immer zuwider, und hier biete ich meine Hilfe sogar freiwillig an!
Sie begriff nicht genau, wo der Unterschied lag, aber Morgans Lob über die gelungene Mahlzeit ließ sie vor Freude erröten. "Die Spiegeleier sind vielleicht etwas zu knusprig gebraten", wandte sie ein, denn sie wollte keine falschen Lorbeeren ernten.
"Ich mag sie so", versicherte Morgan und schnitt mit Appetit ein Lammkotelett an. "Um ehrlich zu sein ... Selbst wenn alles verbrannt gewesen wäre, hätte es mir geschmeckt. Es macht Spaß, sich an einen gedeckten Tisch zu setzen."
Jodie lächelte. Sie hatte sich bereits vorgenommen, das Haus gründlich sauber zu machen und dann für ein einfaches, aber schmackhaftes Abendessen zu sorgen. Natürlich mit Wein und Kerzenlicht. Sie würde etwas Raffiniertes anziehen, etwas, das bei jeder Bewegung leise raschelte ...
Jodie nahm sich zusammen. Träumen war erlaubt, Träume in Wirklichkeit zu verwandeln, nicht. Sie würde es bei ihrem schlichten roten Jerseykleid, Pasta und elektrischem Licht bewenden lassen.
Nachdem sie zusammen abgewaschen hatten, fuhr Morgan in sein Büro. Er versprach, auf dem Rückweg bei Matt vorbeizusehen, und nahm zu Jodies Überraschung sogar Jack mit.
"Ich könnte ihn versorgen", schlug sie vor, aber Morgan winkte ab.
"Keine Sorge, ich komme schon zurecht. Jack begleitet mich überallhin. "
Jodie atmete heimlich auf. Sie hatte von Babypflege nicht die leiseste Ahnung und nahm sich vor, das um Jacks willen zu ändern. Vielleicht konnte sie Morgan dann eher bewegen, ihr seinen Sohn gelegentlich zu überlassen.
In bester Laune machte sie sich mit Staubsauger, -tuch und Möbelspray an die Arbeit. "Great Luscombe Hall" war stilvoll eingerichtet, hatte seinen ländlich-idyllischen Charakter aber nicht verloren. Einige antike Kostbarkeiten -
wahrscheinlich Anschaffungen ihres Vaters - fielen Jodie besonders auf: alte geschnitzte Eichenmöbel, wertvolle Bilder und Silbersachen.
Als Jodie mit den unteren Räumen fertig war, nahm sie das große Schlafzimmer am oberen Treppenabsatz in Angriff. Während sie nach einer Steckdose für den Staubsauger suchte, fiel ihr Blick auf eine Kommode mit zahlreichen gerahmten Fotografien. Die meisten waren umgefallen - vielleicht, weil eine Schublade zu heftig geöffnet worden war. Nur eine stand noch. Es war die Fotografie einer Frau.
Das muss Teresa sein, dachte Jodie, also ist dies Dads Zimmer. Dann sah sie Morgans weißen Frotteemantel hinter der Tür hängen, und neben dem Wäschekorb lag der blaue Pullover, den er am Abend zuvor getragen hatte.
Ihr Herz
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