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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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Hochwildrevier im Salzburgischen und hatte früher ein weiteres in Ungarn, wo die kapitalen Hirsche zu Hause sind. Früher, vor dem Ersten Weltkrieg, machte er mehrmals Jagdexpeditionen nach Afrika. Dort sei es am allerschönsten, erzählt er gern. Viele Trophäen erinnern an Jagdfahrten dorthin und auch in andere ferne Gegenden. Auf der Tierstiege reckt eine ausgestopfte Giraffe ihren langen Hals über die Stufen, ein Gnu erhebt seine Hörner, und im Speiszimmer liegt ein Löwenfell samt Kopf. Und überall Geweihe und Rehkrickeln, sie bedecken die Wände der vielen Gänge und Stiegenhäuser, dicht an dicht, soweit das Auge reicht. Jedes trägt eine Aufschrift, fein säuberlich ist das Datum eingetragen und das Revier, wo das Wild erlegt wurde. Ob die Sachen je jemand abstaubt?
    Die Jagdsaisonen bestimmen Großpapas Kalender. Während der Hirschbrunft ist er für niemanden zu sprechen, die Termine für die Hochzeiten seiner Kinder wurden sorgfältig ausgewählt, damit sie sich nur ja nicht mit irgendwelchen Jagdterminen überschneiden. Dass sein einziger Sohn einmal lieber in ein Konzert nach Prag fuhr, als an einer Jagd teilzunehmen, fand er völlig unverständlich und eigentlich unmöglich.
    Mein Vater, kein Jäger, schüttelt den Kopf über die Jagdleidenschaft seines Schwiegervaters. Dieser ist nicht der einzige unter seinen Standesgenossen, dem die Jägerei über alles geht. Man lädt seine Freunde zu Jagden ein und wird von diesen eingeladen. Das Thema ist unerschöpflich. Das komme davon, sagt Papi, dass der Adel spätestens seit dem Ende der Monarchie seine Funktion verloren hat. Die Leute hätten keine Aufgabe mehr, keinen festen Platz in der Gesellschaft, kein Ziel. Da liege viel Potential brach. Viele unter den böhmischen Herren hätten durchaus Begabung, Energie, Einsatzbereitschaft – aber niemand brauche sie. Da werde eben die Jagd zur Ersatzbefriedigung, die kompensieren müsse, was früher in anderen Tätigkeiten seinen Ausdruck fand, in Politik, Militär, Diplomatie. Das mit dem ungenützten Potential gilt übrigens auch für Papi selber, freilich ohne die jagdliche Ersatzbefriedigung.
    Mein Bruder Jakob ist auch jagdbegeistert, was Großpapa mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt. Jakob hat die Generalerlaubnis, sich, wenn er in Breznitz ist, aus dem Gewehrschrank die »dvojka« zu nehmen, die doppelläufige Schrotflinte, und damit frühmorgens vor dem Frühstück auf Kaninchenjagd zu gehen. Sein großer Moment kommt, als er als Fünfzehnjähriger seinen ersten Rehbock schießen darf. Es ist auf dem sogenannten Grangler, Großpapas Revier im Lungau, und Jakob darf mit dem Jäger Peter auf die Pirsch gehen. Er erzählt uns später mit leuchtenden Augen, wie das war. Frühmorgens auf dem Berg, ein kapitaler Bock tritt aus dem Wald, Jäger Peter sagt: Schieß – und Jakob trifft perfekt. Blattschuss. Seligkeit. Eine Woche später, Jakob ist zurück in Prag, wird er als Luftwaffenhelfer eingezogen und nach Jugoslawien geschickt. Er wird einer Flakbatterie zugeteilt und schießt jetzt auf amerikanische Flugzeuge. Ende einer Kindheit.

Großeltern mütterlicherseits: Hans und Edeltraud Pálffy
    Ich, das Stadtkind, habe nichts übrig für Jagd und Jäger. Ich erinnere mich an eine schreckliche Szene im Breznitzer Speiszimmer. Wir sitzen beim Essen, es ist von Jagd die Rede. Großpapa will wissen, wie in der Jägersprache die Augen und Ohren des Wildes heißen. Ich weiß es natürlich ganz genau: Lichter und Lauscher. Aber ich schweige trotzig. Nichts kann mich dazu bewegen, etwas so Albernes und Unnatürliches über die Lippen zu bringen wie Lichter und Lauscher. Großpapa wird zornig. Ich schweige weiter. Und ich denke mir: Lieber sterben, als Lichter und Lauscher sagen. Wirklich lieber sterben? Ja, lieber sterben. Ich bin mir ganz sicher. Plötzlich ist es eine Frage der Ehre geworden. Jetzt nachgeben hieße, mir selber untreu werden. Ich wäre nicht mehr ich, ich wäre übergelaufen zu den andern. Und das will ich nicht. Nie nie nie. Es endet damit, dass ich aus dem Zimmer geschickt werde, ohne Nachspeise. Das Ganze ist furchtbar, aber ich bin trotzdem froh.
    Großmama ist eine kleine schmale Dame, die gerne zartlila Seidenkleider trägt und im Winter eine kleine Mütze aus Persianerpelz. Sie hat einen Schnauzerhund namens Zipfel, der immer an ihrer Seite ist. Ihr Humor ist leise. Sie kommt aus Österreich. Nach ihrer Heirat hat sie sich redlich bemüht, die tschechische Sprache zu lernen, aber ihren

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