Zukunftsmenue
sollen. Aber sie schwächte mich auch gleichzeitig. Sie nagte an meinem Selbstwertgefühl und an meinem Wunsch nach Eigenständigkeit. Nach achtzehn Monaten fand ich dann endlich die Kraft, mich aus der Sozialhilfe zu lösen, fand einen Job als eine Art Sekretärin bei einem Bekannten und nach langem Betteln auch einen Kindergartenplatz für meinen Sohn. Das war meine Fahrkarte in ein anderes Leben. Aber bis dahin musste ich mit dem Geld haushalten. Ich musste von Tag zu Tag wirtschaften, Großeinkäufe gab es natürlich nicht. Und ich musste entscheiden, ob ich das letzte Geld für einen Milchkaffee ausgebe oder Brötchen und Joghurt für meinen Sohn und mich einkaufe. Damals begann ich, sorgsam mit Essensresten umzugehen: Übrig gebliebene Brötchen habe ich aufgehoben und zu Knödeln verarbeitet, zu Scheiterhaufen, zu Brotsalat, zu gerösteter Brotsuppe oder als Arme Ritter ausgebacken. Geröstete Grießsuppe war ein billiges und herrliches Essen, genauso Nudeln mit Öl und Knoblauch oder ein mit Wasser gestreckter Palatschinken. Erstaunlich, wie viele ich davon essen konnte! In meiner Erinnerung habe ich die ganze Zeit gegessen. Vielleicht habe ich aber auch immer nur ans Essen gedacht.
Als ich mit den Jahren mehr Geld verdiente, änderte sich dies. Aus der ehemals einsamen Orange zu Weihnachten wurde ein ganzes Süßwarensortiment: Stollen, Lebkuchen, Kekse – zwar meist selbst gebacken, aber manchmal so viel, dass ich den Rest, der alt und trocken und bröselig war, in den Müll warf. Und mit den selbst gemachten Knödeln war es für viele auch vorbei: Die Knödel aus der Tüte waren unschlagbar schnell zubereitet und unschlagbar billig. Eine ganze Generation verliebte sich in die Suppe aus der Tüte. Sie war ebenso schnell fertig und ebenso billig. Der Geschmack vieler Lebensmittel veränderte sich allerdings auch recht schnell – in unschlagbar künstlich und, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig.
Muttis Kohlrouladen (meine Krautwickel)
Für 4 Personen
2 Brötchen vom Vortag oder noch älter
Salz
1 TL Kümmel, ganz
1 großer Kopf Weißkohl
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
3 Zwiebeln
1 EL Butter oder Öl
2 Eier
400 g gemischtes Hackfleisch
je 1/2 TL Majoran und Thymian
1/2 TL frisch gemahlener Kümmel
1/2 TL Paprikapulver, edelsüß
1 Karotte
60 g Räucherspeck (nach Belieben)
3 EL Butterschmalz
1 EL Mehl
Brötchen in heißem Wasser einweichen und gut ausdrücken.
In einem großen Topf Salzwasser mit Kümmel zum Kochen bringen. Den Krautkopf putzen, den Strunk entfernen und die äußeren Blätter ablösen. Den Kopf im kochenden Wasser blanchieren und kalt abspülen. Das Kochwasser nicht wegschütten.
Eine Zwiebel abziehen, klein würfeln und in der Butter oder in Öl andünsten. Zwiebelwürfel, Brötchen und Eier unter das Hackfleisch mischen. Kräftig mit Salz, Pfeffer und den übrigen Gewürzen würzen.
8 große Krautblätter auf der Arbeitsfläche auslegen, auf jedes große Blatt 2 bis 3 kleinere Blätter legen. Jeweils 2 EL Hackfleischmischung daraufgeben, die Blätter seitlich über die Füllung schlagen, fest aufrollen und mit Küchengarn zubinden.
Karotten waschen und in Scheiben schneiden, die restlichen Zwiebeln schälen und vierteln. Den Speck – wenn er dazu soll – in Scheiben schneiden, etwas von dem restlichen Kraut in Streifen schneiden. Den Backofen auf 200 °C (Umluft 180 °C) vorheizen.
In einem großen Bräter das Schmalz erhitzen, die Kohlrouladen darin von allen Seiten kräftig anbraten. Speck, Zwiebeln, Karotten und Kraut einlegen, kurz mitbraten. 1/2 l Kochwasser vom Kraut zugießen. Zugedeckt im Ofen auf der mittleren Schiene 50 Minuten schmoren.
Die fertigen Kohlrouladen aus dem Bräter nehmen. Das Mehl mit 3 EL Wasser verquirlen, unter die Sauce rühren und kurz aufkochen lassen.
Tipp
Dazu passen hervorragend Salzkartoffeln, grüner Salat oder Rote Bete-/Gurkensalat.
Aus süßen Kuchenresten und Broten mache ich Desserts, Aufläufe oder Punschkrapfen. Aber natürlich auch süße Knödel. Oder ich mische süße Brösel mit ein paar gemahlenen Nüssen für Nusskuchen.
Wider die Verschwendung
Ein Blick auf die Weltkarte des Hungers zeigt, dass die meisten Lebensmittel dort verderben, wo die Menschen entweder zu wenig oder zu viel zu essen haben. Ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel wird verschwendet oder geht verloren. Das ist das Ergebnis der von der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Auftrag gegebenen Studie
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