Zukunftsmenue
Ton Baars vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Ziegenhagen die zahlreichen
internationalen Studien zur Rohmilch vorgestellt und diskutiert. 14 Demnach wirken sowohl Stallluft als auch Rohmilch positiv auf die Kinder, und sie haben ein weitaus geringeres Risiko, an Asthma und Milchallergien zu erkranken. Mehr Kontakt und Auseinandersetzung mit der Natur stärkt also das Immunsystem, während hingegen der Weg der vergangenen Jahrzehnte, die Milch immer steriler zu machen, vermutlich mit dazu beitrug, dass die Allergien gegen Milch häufiger geworden sind.
Ist jede Rohmilch heilsam? Oder gibt es auch hier Unterschiede?
Fütterung, Haltung und Gesundheit der Tiere – sie wirken natürlich auf die Qualität der Rohmilch ein. Es genügt vermutlich nicht, dass Rohmilch von einem ökologisch geführten Betrieb kommt. Weitere Faktoren müssen berücksichtigt sein: Kommen die Kühe regelmäßig auf die Weide, oder werden sie im Stall gehalten und erleben lediglich einen betonierten Laufhof? Bekommen sie frisches Gras und Heu oder »nur« Silage und Kraftfutter? Die Fettqualität, gerade die ernährungsphysiologisch wichtigen Omega-3-Fettsäuren, zeigen sich nur, wenn die Kühe im Sommer vorwiegend Gras fressen, ob das nun ein biologischer Betrieb ist oder ein konventioneller. Sicherlich spielt auch die Gesundheit der Tiere eine große Rolle, und auch die Silage ist eine Brutstätte für Keime. Die Milch von Betrieben, die mit stabileren Zweinutzungsrindern wirtschaften, ihnen Weide geben und insgesamt nicht so intensiv auf Höchstleistungen trimmen, könnte besser sein. Dazu müssen aber noch mehr und gezieltere Untersuchungen vorgenommen werden. Hinzu kommt, dass vermutlich eine gewisse Heilwirkung der Rohmilch auch nur dann erreicht wird, wenn sie frisch und möglichst ungekühlt genossen wird. 15
Wenn essen krank macht
Ich war in der glücklichen Lage, als Kind euterwarme Milch zu genießen. Meine Schwester erzählte mir vor Kurzem, dass unser täglicher Milchverbrauch – für drei Kinder und unsere Mutter – bei sieben Litern lag. Es gibt Untersuchungen darüber, dass Bauernhofkinder resistenter gegen Allergien sind. 16 Unsere Hygienevorstellungen könnten wohl doch überzogen oder sogar schädlich sein. Die Welt ist voller Bakterien, und alle haben ihre Aufgabe. Sie sind weder gut noch böse. Unser Körper hat gelernt, mit ihnen zu kommunizieren, viele sind unabdingbar für einen ausgeglichenen und funktionierenden Stoffwechsel oder die Verdauung. Seitdem der Mensch aber massiv in die Natur eingreift, scheint dieses Gleichgewicht zu unseren Ungunsten zu kippen. Um mehr über dieses Thema zu erfahren, suchte ich Dr. Frank Bartram auf, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Umweltmedizin.
Tischgespräch mit Dr. Frank Bartram
Frank Bartram ist Vorsitzender des Deutschen Berufsverbands der Umweltmediziner (dbu) und Leiter einer überregionalen Fachpraxis für Kurative und Präventive Umweltmedizin. Neben einer umfangreichen Vortrags- und Beratungstätigkeit ist er auch als Dozent im Fachbereich Umweltmedizin tätig.
Sarah Wiener: Sie arbeiten seit siebzehn Jahren in der Umweltmedizin. Haben Sie beobachten können, wie die Entwicklung von Umwelterkrankungen, Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten verläuft?
Frank Bartram: Nahrungsmittelintoleranzen nehmen absolut zu. In der Wissenschaft unterscheiden wir aber, ob eine unangenehme Reaktion auf ein Nahrungsmittel tatsächlich mit einer Allergie zusammenhängt. Denn es gibt zwei Formen der Allergie. Die eine nennen wir Typ 4, eine Entzündungsreaktion auf bestimmte Lebensmittel oder Zusätze, deren Symptome man salopp formuliert mit einer permanenten grippeähnlichen Reaktion vergleichen kann. Die zweite Reaktion hat Ähnlichkeiten mit Pollenallergien. Und dann gibt es noch allergieähnliche Reaktionen. Hauptreaktionen bei einer Umwelterkrankung sind lokale oder systemische Entzündungsreaktionen, die durch Umweltfaktoren ausgelöst werden. Die wichtigste Aufgabe der Umweltmedizin besteht darin nachzuweisen, was aus der Umwelt jemanden messbar krank macht. Kurative, also heilungsorientierte Maßnahmen bestehen darin, den Kontakt zu den nachgewiesenen Umweltsubstanzen zu meiden oder zu minimieren. So ermöglichen wir den Selbstheilungskräften des Körpers wieder ihre weitgehend ungestörte Tätigkeit.
Wieso nehmen Umwelterkrankungen und Allergien immer mehr zu?
Weil auf uns meist dauerhaft immer mehr Substanzen, Reizfaktoren und Allergene
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