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Zukunftsmenue

Zukunftsmenue

Titel: Zukunftsmenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wiener
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maschinelle Ernte. Rückstände des Glyphosats finden sich daher vor allem auch im Kraftfutter der Milchtiere.

    Viele Menschen vertragen heute keine Milch mehr, klagen über Laktoseunverträglichkeit oder haben sogar Allergien. Gibt es hier einen Zusammenhang mit der »modernen« Milch – oder warum nimmt das zu?

    Kuhmilch ist eigentlich für Kälber bestimmt. Nur der Mensch hat sich im Verlauf der Evolution die Fähigkeit erworben, den Milchzucker, also die Laktose, auch noch im erwachsenen Alter mit Hilfe des Enzyms Laktase verdauen zu können. Aber nicht alle können das. Asiaten, teilweise auch Afrikaner und inzwischen viele Europäer reagieren auf Milch mit Magenknurren, Blähungen und Übelkeit. Sie sind laktoseintolerant. Ob das zugenommen hat oder ob die Aufmerksamkeit hier größer geworden ist, kann ich nicht sagen. Schon in den Schriften antiker Ärzte findet man Hinweise darauf. Und das in der Milch enthaltene Eiweiß gilt heute, neben dem Gluten des Weizens, als ein wichtiger Allergie auslösender Stoff. Gerade Kinder sind davon stark betroffen. Viele Faktoren könnten dafür verantwortlich sein. So gibt heute eine Kuh nicht mehr 4.000 Liter Milch wie nach dem Krieg, sondern bis zu 10.000 Liter. Sie wird intensiv mit Kraftfutter und Silage gefüttert, sieht nur noch selten die Weide und erlebt in der Regel nur zwei Laktationszyklen, bekommt also nur zwei Kälber, bevor sie mit Euterentzündungen, Fruchtbarkeitsstörungen und Klauenerkrankungen auf die geforderten Höchstleistungen reagiert und zum Schlachter muss. Ihre Milch wird, wie schon gesagt, stark verarbeitet, gekühlt, erhitzt, lange gelagert. Diese Milch ist eine andere als die Kuhmilch vor fünfzig Jahren.

    Ich lese überall von Kraftfutter. Woraus besteht das, und warum braucht die Kuh, die Gras und Heu frisst, eigentlich »Kraftfutter«? Verträgt die das denn mit ihrem empfindlichen Magensystem?

    Ergänzend zu Gras und Heu, früher auch zu Rübenblatt, Stroh, Klee und anderen Futterpflanzen, wurde immer schon etwas konzentriertes, vor allem getreidehaltiges Futter gegeben. Man sagt ja: Man melkt die Kuh durchs
Maul. Die Höhe der Milchleistung hängt eben nicht nur von der Genetik ab, sondern eben auch von einer gehaltvollen Fütterung. Nun wurden aber im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte die Kühe züchterisch so hochgepuscht, und zugleich wurde ein eiweißreiches Kraftfutter durch zollfrei importiertes Soja so billig, dass es sich lohnte, der Kuh immer mehr Kraftfutter zu verabreichen. Zugleich verbreitete man die Lehrmeinung, eine moderne Kuh könne gar nicht so viel Gras fressen, wie sie braucht, um die verlangte Leistung zu erzielen. Dabei ist der gesamte Magen-Darm-Trakt der Kühe auf wunderbare Weise für die Verdauung von Zellulose ausgelegt. Damit kann sie aus Grünfutter, das der Mensch nicht verdauen kann, ein wunderbares Nahrungsmittel für den Menschen erzeugen. Frisst sie hingegen zu viel eiweißreiches und konzentriertes Futter, bekommt sie Stoffwechselstörungen und wird krank. Heute wird auch viel Maissilage verfüttert – also vom Acker und nicht mehr vom Grünland her die Milch ermolken. Auch wenn die Maissilage offiziell zum sogenannten Grundfutter zählt, bekommt dies den Kühen nicht sonderlich gut, und sie reagieren auch darauf mit Verdauungsstörungen.

    Bis in die 1950er Jahre hinein, so schreiben Sie in Ihrem Buch, war die unbehandelte, rohe Milch ganz überwiegend die normale Milch. Heute darf Milch nur noch erhitzt in den Handel kommen. Wie konnte so eine Angst vor den Bakterien in roher Milch entstehen, während gleichzeitig Verbraucher für probiotische und mit speziellen Milchsäurebakterien versetzte Joghurts viel Geld ausgeben?

    Norbert Elias beschreibt in seinem 1978 erschienenen Buch »Der Prozess der Zivilisation« diesen Prozess der fortschreitenden Ekelschwelle sehr gut. Das betrifft nicht nur unser Verhältnis zu Körperausscheidungen, sondern leider auch unser Verhältnis zur Natur allgemein. Diesem »Prozess« wurde jedoch seitens der Wissenschaft, Politik und Milchwirtschaft kräftig nachgeholfen. Zur Modernisierung der Milchwirtschaft wurde 1934 eine rigide Arbeitsteilung zwischen Milchbauern und Molkerei durchgesetzt. Die Direktvermarktung von Milch wurde praktisch verboten und der Milchbauer zum reinen »Rohstofflieferanten« der Molkerei gemacht. Die rohe, unbehandelte Bauernmilch wurde immer stärkeren Diffamierungen ausgesetzt. Sie wurde als schmutzig und voller Keime bezeichnet, die

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