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Zukunftsmenue

Zukunftsmenue

Titel: Zukunftsmenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wiener
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Molkereimilch sei dagegen rein, weiß und durch Erhitzung angeblich von Krankheitserregern gereinigt. Erst 1993 hat die Europäische Union, gegen den Widerstand deutscher Behörden und Milchindustrievertreter, die Ab-Hof-Abgabe von Rohmilch auch in Deutschland wieder ermöglicht. Dabei warnen die Behörden weiterhin reflexartig vor dem Genuss von Rohmilch, und der Landwirt muss ein Schild anbringen, dass diese Milch nur abgekocht genossen werden darf.

    Ist Rohmilch wirklich gefährlich?

    Sie ist sicherlich für alle Art von Keimen wie Bakterien und Pilze ein idealer Nährboden aus Milchzucker, Eiweiß und Fett. Wir müssen jedoch deutlich unterscheiden zwischen Krankheitserregern und den harmlosen Milchsäurebakterien und anderen Verderbniserregern. Im neuen Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sehen Sie, dass die wichtigsten Erreger von Lebensmittelinfektionen, Salmonellen, Campylobacter, Listerien und EHEC sich in erster Linie auf Geflügelfleisch befinden. 12 Nie in Vorzugsmilch und nur in wenigen Fällen – in 1 bis 2 Prozent der Proben – auch in Rohmilch, die zur Anlieferung an die Molkerei bestimmt war. Dabei ist das »Restrisiko« unbehandelter Milch ähnlich hoch wie das Risiko, dass Milch in den Molkereien re-kontaminiert wird. Problematisch bleiben jedoch hoch verarbeitete Milchprodukte wie Milchpulver, Speiseeis oder Milchcremes in Großküchen, vor allem wenn sie mit Eipulver zusammen verarbeitet wurden und lange im Warmen stehen.

    Bild 12
    Almidylle und Handmelken mit dem Melkschemel. Dieses Klischee bemüht auch die Milchindustrie in ihrer Werbung. Die Realität sieht heute allerdings anders aus.

    Ganz anders zu beurteilen sind die Verderbniserreger. Wie gesagt, der Gesetzgeber schreibt hier aus Gründen der langen Haltbarkeit niedrige Grenzwerte vor. Dabei gehören die Milchsäurebakterien zur Milch: In frischer, von Hand gemolkener Milch herrschen sie vor und entfalten sogar eine Art Schutz- oder bakterizide Wirkung für die Milch. Sie verhindern, dass sich Krankheitskeime darin entfalten können, ähnlich wie Milchsäurebakterien beispielsweise das Immunsystem in unserem Darm stärken. Anschließend beginnen die Milchsäurebakterien den Milchzucker zu verdauen – die Milch wird sauer. Ein normaler Vorgang, den sich die Menschen von Anfang an nutzbar machten, um die Milch haltbarer zu machen: Joghurt, Quark, Käse, ein gutes Butteraroma – all dies wäre ohne die gute Arbeit der Milchsäurebakterien nicht möglich. Durch die Kühlung der Milch jedoch können sich die Milchsäurebakterien nicht vermehren, stattdessen gewinnen kälteliebende Bakterien die Oberhand. Diese ernähren sich vom Milcheiweiß und -fett. Da heute die Milch tagelang gekühlt wird – schon auf den Höfen –, wird eine Tüte Milch im Kühlschrank nach einer gewissen Zeit nicht sauer, sondern faulig und stinkt. Das kommt von dieser veränderten Keimflora.

    Sie sprachen eben von Vorzugsmilch. Was ist das?

    Vorzugsmilch ist eine rohe, nicht erhitzte, aber gekühlte und in Flaschen oder Tüten abgefüllte Milch. Sie darf im Handel verkauft werden. Manche Bioläden oder Reformhäuser verkaufen diese Milch, die sie direkt vom Erzeuger bekommen. Vorzugsmilch, das gibt es nur in Deutschland, und das seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Sie wurde als Kur- und Kindermilch entwickelt, und die Betriebe mussten von Anfang an hohe Hygieneauflagen erfüllen und die Gesundheit der Tiere sowie der Milch kontrollieren. Leider gibt es nur noch wenige dieser Betriebe in Deutschland. Seit bei einem EHEC-Skandal 1997 ein niedersächsischer Vorzugsmilchbetrieb fälschlicherweise verdächtigt worden ist, haben die meisten Betriebe auf eine Pasteurisierung der direkt vermarkteten Milch umgestellt.

    Was ist nun das Besondere an einer rohen, also nicht erhitzten Milch? Hat sie sogar Heilwirkung, wie manche sagen?

    Seit den 1960er Jahren gibt es immer wieder Stimmen von Wissenschaftlern und Ärzten, die darauf hinweisen, dass die Hitzebehandlung der Milch in gewisser Weise die Immunabwehr herabsetzt, indem sie die in der Mutter- wie Kuhmilch vorhandenen Immunoglobuline und Enzyme, die den Darm vor Infektionen schützen, zerstört. 13 Neuere Forschungen zeigen, dass die Hitzebehandlung mitverantwortlich ist für die Zunahme an Allergien und Asthma in der Bevölkerung, vor allem bei Kindern. Im Mai 2011 fand in Prag das Symposium »Raw Milk – Health or Hazard?« statt. Dort wurden unter der Leitung von Prof.

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