Zukunftsmenue
Fertigprodukte, wie zum Beispiel Saucenpulver, kamen bei mir aber auch da schon nicht zum Einsatz.
Und was ist mit Mayonnaise oder Dressings?
Bei Mayo kann man auf Fertigprodukte zurückgreifen. Ganz klar.
Aber Mayo macht man doch in fünf Minuten selbst!
Ja, das kann man, aber wofür du fünf Minuten brauchst, braucht ein Laie fünfzehn Minuten. Meine Taktik ist: Bei einem komplexen Gericht muss der Rest einfach sein, damit es die Menschen nicht überfordert. Wenn die Mayo das Allesentscheidende ist, konzentriere ich mich darauf und mache sie anständig. Wenn ich aber nur einen Esslöffel Mayo brauche, erzähle ich den Leuten nicht, dass sie die auch noch selbst machen müssen. Dann nimmt man eben ein Fertigprodukt, das finde ich überhaupt nicht schlimm. Ich will mir nicht bei jeder Mahlzeit die gesamte Weltgeschichte auf den Teller packen lassen. Da will ich nur essen. Ganz simpel. Nur essen, und ich will nicht politisch aktiv sein bei jeder Nudel, die ich da drehe. Es gibt so ein Rezept, auf das ich immer noch stehe, bei dem ich als Koch eigentlich sagen müsste, dass es eine Frechheit ist. Aber es ist ein Kindergericht von mir, und ich liebe es: Dosenmandarinen, Butterkäse, Fleischwurst und Fertigmayo. Das ist so ein Familienrezept aus meiner Kindheit, und das habe ich in einem Kochbuch veröffentlicht. Da mache ich aus der Fleischwurst keine Landwurst, weil es sich einfach so gehört.
Aber das ist doch pures Industriefutter!
Ich will keinen Freifahrtschein für industriell gefertigte Nahrung, aber ich rede manchmal von
einem Gericht, bei dem ich nur eine Emotionalität herstellen möchte. Mehr nicht. Damit ich die Leute überhaupt erst einmal herankriege ans Kochen.
Und um auf die Verantwortung zurückzukommen, die wir als Fernsehköche haben: Meine Aufgabe war genau das, die Leute an die Herde zu locken mit ein paar simplen Rezepten, die vielleicht manchmal fachlich nicht korrekt sind und bei denen sie auf Hilfsmittel zugreifen dürfen. Dann sagen sie, Mälzer ist schön und gut, aber ich möchte mich mehr mit Essenszubereitung beschäftigen. Jetzt kommt erst mal Lafer ins Spiel mit seiner technischen Perfektion. Da wird nichts mehr gerissen, gehackt oder mit der Küchenmaschine vorbereitet, sondern alles von Hand würfelgenau geschnitten. Und dann kommst du dazu, durch dich lernen sie die Qualität von Essen so zu schätzen, dass sie auch noch umweltbewusst und verantwortungsvoll handeln.
Aber ehe wir hier nur über Fleisch reden, sollten wir den Leuten eine Alternative dazu anbieten. Und damit sind wir beim Thema Herkunft der Lebensmittel und Fleischkonsum. Was glaubst du denn ist die größte Problematik am vegetarischen Essen?
Dass die Leute nicht verstehen, wie man aus Vegetarischem, aus Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide, etwas Köstliches zaubern kann.
Siehst du. Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide – genau das sind die drei Worte, die die Assoziationen von trocken, langweilig, verkniffen, unsexy, nicht fett, nicht lustvoll wecken.
Dass die Leute glauben, Gemüseküche wäre »unsexy«, liegt vielleicht auch daran, dass die Leute in unseren Breitengraden nur an Sättigungsbeilagen wie Kohl, Sauerkraut und Kartoffeln denken. Dabei gehört nur ein bisschen Fantasie und Umdenken dazu.
Und das Auge isst ja auch mit. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum leckeres vegetarisches und veganes Essen immer so freudlos aussieht und es von jedem Teller schreit: Wir müssen anders sein.
Aber vor Kurzem hast du ja, obwohl du der Küchenbulle bist, der sehr witzige, testosterongesteuerte Kochshows auf die Bühne gebracht hat, ein wirklich wunderschönes neues Kochbuch auf den Markt gebracht: »Greenbox«, da wird nur Gemüse verarbeitet. Vor fünf Jahren wäre das überhaupt nicht möglich gewesen!
Es wäre nicht möglich gewesen, weil ich die Problematik noch nicht erkannt hatte. Die Männer grillen eben Fleisch, Kochen war immer so etwas Weibliches. Die Vorstellung von vegetarisch ist ja: trocken, verfurzt, Verstopfung. Selten, dass jemand sagt, da hat er richtig Bock drauf. Selten, dass jemand sagt, bei vegetarischem Essen kann er sich mit Rotwein volllaufen lassen. Das Sinnliche fehlt scheinbar. Und das habe ich zur Idee des Buches gemacht.
Wahnsinn, was für eine Entwicklung du gemacht hast … Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung bei Kerner. Wir sollten ein Weihnachtsmenü kochen, und
du hast Kartoffelpüree aus der Tüte gemacht. Heute sagst du, so etwas
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