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Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit

Titel: Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frauen schon geholfen hat.
    »Wir haben das Gefühl, daß wir allein nicht weiterkommen. Was in der Ehe normalerweise selbstverständlich ist, da … da gibt es bei uns eine Schranke.«
    Er brauchte nicht mehr nach Worten zu suchen. Laura stand auf, stellte sich mit dem Rücken an die Wand, blickte auf die beiden Männer. Sie war blaß, und ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Klang.
    »Ich bin die Schranke, Herr Doktor. Es liegt nicht an Viktor. Es liegt an mir.« Sie zuckte mit den Schultern, ihre Augen verengten sich. »Was soll das Herumgerede? Ich bin frigide. Im Bett habe ich Angst.«
    Wieso war es jetzt so unerträglich still im Zimmer? Viktor preßte seine Lippen aufeinander. Na, rede schon, Doktor. Erzähl ihr, daß das eine psychische Störung ist, daß so was zu heilen ist, in ein paar Sitzungen vielleicht.
    Es dauerte verdammt lange, bis Normann endlich den Mund aufmachte: »Selbstverständlich ist in einer Ehe gar nichts. Die Schranke ist oft da. Viele Ehemänner wissen es gar nicht, erfahren es nie.«
    Laura setzte sich wieder in ihren Sessel, schlug die Beine übereinander, griff mit zitternden Händen nach einer Zigarette.
    Viktor schenkte sich den dritten Kognak ein. »Meine Frau möchte behandelt werden, Herr Doktor. Ich möchte Sie fragen, ob Sie sie als Patientin annehmen können?«
    Die Frage blieb im Raum hängen. Richard Normann saß dem Ehepaar gegenüber. Lauras Augen waren groß auf ihn gerichtet. Auch Viktor beobachtete ihn.
    Ein gräßlicher Zufall hat uns zusammengeführt, dachte Normann. Gräßlich? Oder bin ich etwa froh darüber? Wo bleibt mein Anstand, meine Moral, mein ärztliches Gewissen? Ich bin ihr Liebhaber gewesen – mehr noch, ich begehre sie weiter, ich liebe sie weiter. Auch jetzt, wo ich Bescheid weiß. Wo ihr Mann neben ihr steht.
    Sein Gesicht hatte Normann unter Kontrolle, seine Gedanken nicht. Sie erinnerten ihn an die Nacht, in der Laura in seinen Armen lag, zärtlich, leidenschaftlich, glühend – eine Frau, die bestimmt keine Angst hatte.
    Das Schicksal spielte verrückt. Und er hatte nicht die Kraft, sich dagegenzustellen. Er würde Laura wiedersehen, oft, jede Woche. Er würde immer allein mit ihr sein, würde sie endlich ganz kennenlernen und sie ihn …
    Und wenn er zehnmal hätte ablehnen müssen, Ausreden erfinden, Gründe suchen – er tat es nicht. Und wenn es zehnmal Betrug war – ihre Nähe ließ ihn das vergessen. Nicht mal rot wurde er, auch nicht blaß, als er ganz trocken zu Viktor Riffart sagte: »Ich behandle Ihre Frau.«
    Am nächsten Morgen, pünktlich um acht Uhr, betraten die Geschworenen den großen Schwurgerichtssaal zur Verhandlung gegen Oskar Duschek.
    Oskar Duschek, den Rechtsanwalt Riffart verteidigte und der bei Dr. Richard Normann in psychotherapeutischer Behandlung gewesen war. Duschek hatte seine Ehefrau Lise erstochen, weil sie – das fand Dr. Normann heraus – völlig gefühlskalt gewesen war und ihren Mann so lange gequält hatte, bis er sie tötete – obwohl er sie noch immer liebte.
    Durch die Zuhörerreihen im Schwurgerichtssaal ging jetzt ein erregtes Flüstern. Der Protokollführer des Gerichts saß an seinem Platz, der Verteidiger, der Staatsanwalt. Nur die Anklagebank war leer.
    Angeklagter Oskar Duschek, Hotelier aus München, war zum zweiten Tag ›seines‹ Prozesses nicht erschienen. Und er würde auch nicht mehr erscheinen. Er war dem Urteil der Geschworenen zuvorgekommen. Schuld und Sühne – die irdische Gerechtigkeit konnte nicht mehr darüber entscheiden.
    Der Vorsitzende des Gerichts verkündete stehend: »Der Angeklagte hat in den heutigen Morgenstunden Selbstmord begangen. Das Verfahren wird eingestellt. Die Verhandlung ist geschlossen.«
    Fünf Minuten später trafen sich Dr. Normann und Rechtsanwalt Viktor Riffart im Anwaltszimmer des Justizpalastes.
    »Wie konnte das passieren?« fragte Normann.
    Der Anwalt zog langsam seine schwarze Robe aus. »Er hat sein Hemd in Streifen gerissen und sich am Fensterkreuz aufgehängt. Er hat noch einen letzten Wunsch auf einen Zettel geschrieben …«
    »Nämlich?«
    »Er möchte da begraben sein, wo seine Frau liegt.«
    Normann starrte zum Fenster hinaus.
    Der Anwalt hängte seine Robe in den Garderobenschrank. »Sie hatten schon recht, Doktor«, meinte er. »Es war wirklich Liebe. Fünfzehn Messerstiche aus Liebe.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Vielleicht verstehen sie sich jetzt – im Tod.«
    Es klang ein wenig bitter. Andererseits klang es auch vertraut, so,

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