Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
Sie möchten in Sitzungssaal vier kommen.«
Sie stand auf, strich sich ihren Rock zurecht. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Wenn es nicht noch eine andere Helga Anderssen gäbe, ich glaube, ich könnte es nicht aushalten.
Laura lag in ihrem Bett, allein, wach, in einem Schlafzimmer, das sie einmal miteinander ausgesucht hatten. Ahorn, hell, sehr modern – das Richtige für ein junges Ehepaar. Damals, in dem Möbelgeschäft, hatte Viktor sie noch lachend gefragt: »Oder möchtest du getrennte Schlafzimmer, Liebling?«
Nein, natürlich nicht.
Nur – jetzt schliefen sie plötzlich getrennt. Sie starrte die Wände an, sie hörte ihr Herz klopfen. Sie konnte sich nicht mehr länger belügen. Es war jemand da, den sie nicht wollte. Er hatte sich in ihre Seele geschlichen, sie hörte ihn, sie sah ihn, sie fühlte ihn, sie dachte mit ihren Lippen an ihn, mit ihrem Körper.
Aus Verzweiflung und Rache hatte sie sich vorgenommen, ihren Mann zu betrügen. Ein Versuch sollte es sein, eine Selbstbestätigung, ein Triumph über Viktor: Siehst du, ich bin doch eine Frau.
Und nun wollte sie die Nacht vergessen, den andern Mann aus ihrem Gedächtnis löschen. Aber sie konnte ihn nicht auslöschen, in ihrem eigenen Ehebett mußte sie an ihn denken. Es war ihr, als hätte sie an einem Becher genippt und könnte nun nicht mehr aufhören zu trinken.
Ich liebe Viktor. Ich liebe nur ihn. Und wenn sie es gegen die Wände geschrien hätte, der Fremde wäre immer gegenwärtig geblieben.
Laura knipste das Licht an. Sie sprang aus dem Bett, entschlossen, so nicht mehr weiterzuleben.
Um jeden Preis der Welt wollte sie zu Viktor zurückfinden.
Barfuß, im Nachthemd, lief sie hinüber ins Arbeitszimmer. Leise drückte sie die Tür auf. Der Regen trommelte an die Fensterscheiben, die Schreibtischlampe brannte.
Viktor schlief. Nicht auf der Couch, wo sein Bett aufgedeckt war. Er war in seinem Sessel eingeschlafen.
Laura umklammerte den Türrahmen. Sie zitterte unter ihrem Nachthemd. »Viktor.«
Er fuhr hoch, starrte sie an. Es schien ihr, als sei sein Gesicht schmaler geworden in den letzten Tagen.
»Ich fürchte mich, Viktor«, sagte sie leise.
Er stand auf, kam auf sie zu. »Wovor fürchtest du dich, Laura?«
»Vor meinen Gedanken«, hätte sie sagen müssen. »Vor einem Fremden, vor einem Mann, den ich nicht lieben will, nicht lieben darf, den ich vergessen will.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Viktor … Du bist doch mein Mann, warum hilfst du mir nicht?«
Er stand noch immer vor ihr, ohne sie zu berühren. »Laura, bitte, sag mir ehrlich: Liebst du mich überhaupt?«
Sie schlang verzweifelt die Arme um ihn. »Viktor, so wahr mir Gott helfe, ich liebe dich, ich liebe dich …«
»Aber es gibt Augenblicke, da hast du Angst vor mir.«
»Ja.«
»Und warum hast du das nie gesagt?«
»Ich verstehe es doch selbst nicht, Viktor.« Sie hob ihr verzweifeltes Gesicht zu ihm empor. »Ich verstehe es nicht … und ich kann es dir nicht erklären … Ich habe Sehnsucht danach, wie jede andere Frau, und wenn es soweit ist, wird es leer und kalt in mir.«
Er schwieg betroffen.
Sie sah ihn groß an. »Du möchtest keine solche Frau, nicht wahr?«
Er nahm sie plötzlich, hob sie hoch, trug sie wie ein kleines Mädchen ins Schlafzimmer hinüber. Er deckte sie zu, setzte sich an den Bettrand. »Laura, ich möchte keine andere Frau als dich. Ich liebe dich … und ich habe mich so dumm benommen, wie man sich dümmer nicht hätte benehmen können.« Er beugte sich zu ihr hinunter, küßte sie zärtlich. »Wir müssen ein Brett vor dem Hirn gehabt haben, Laura. Wir sind erwachsen, aufgeklärt und waren nicht in der Lage, uns über ein sehr häufiges Eheproblem zu unterhalten …«
Laura schloß die Augen.
»Ich weiß inzwischen ein bißchen Bescheid«, fuhr er fort, »ich habe darüber nachgedacht. Man muß ein paar Vorurteile begraben und zu einem Arzt gehen. Ich bin überzeugt, der Arzt wird dir helfen, und wir werden zueinanderfinden und dann ganz glücklich sein …«
»Ja«, flüsterte sie.
Plötzlich schien alles einfach zu sein. Und so voller Hoffnung. Gemeinsam würden sie einen Weg gehen, und es würde sicher alles gut werden.
Oder?
Denn als das Licht schon nicht mehr brannte, als sie still nebeneinander lagen, da sagte Viktor plötzlich: »Laura, ich habe dich natürlich nicht betrogen. Ich habe mich betrunken in jener Nacht, weiter ist nichts geschehen.«
Kalt kroch es ihr den Rücken herauf. Sie glaubte es ihm.
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