Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
wenn es sich so ergäbe – würdest du dich dann mit einem Verheirateten einlassen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Helga leise.
»Entschuldige, daß ich dich so frage. Aber du bist die einzige Junggesellin in unserem Kreis.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.« Helga warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. »Wir sind doch da, um die Wahrheit zu sagen.«
»Ja.« Stephi Helmer nickte. »Und ich will euch jetzt die Wahrheit sagen. Ich bin nämlich in besonderer Stimmung – ich komme von der Geliebten meines Mannes!«
Sie sah von einer zur anderen. »Mein Mann verkauft Waschmaschinen. Von Montag bis Freitag ist er unterwegs. Und am Samstag betrügt er mich. Das ist so ungefähr meine Ehe.«
»Und wem geben Sie die Schuld an diesem Zustand?« fragte Dr. Normann ruhig.
Wütend fuhr sie herum: »Sie sind ja auch ein Mann, und die Männer sind natürlich nie schuld! Wollten Sie das andeuten, Herr Doktor?«
Er hatte nichts gegen solche Ausbrüche. Ganz im Gegenteil. »Ich wollte eigentlich nur eine Antwort von Ihnen.«
So hübsch sah sie heute aus, die kleine Stephi Helmer, trotz ihrer neunundzwanzig Jahre.
Nur ihre Worte klangen ziemlich bitter. »Mein Mann versteht unter Liebe … zusammen ins Bett gehen. Ich gebe zu, das ist ein Problem bei mir.«
Die anderen starrten sie an.
Es war, als spräche sie zu sich selbst. »Ich hab' mal gelesen, daß es das einzig Wahre sein soll, dieser Augenblick zwischen Mann und Frau. Ich hab' gehört, daß andere halb ohnmächtig vor Glück werden, die Glocken sollen klingen – bei mir klingen keine Glocken. Ich fühle gar nichts dabei. Leer ist es in mir. Ich bin froh, wenn es vorbei ist.«
Verlegenes Schweigen breitete sich um den runden Tisch aus. Normann beobachtete die anderen. Ellen Diekenhorst, die nach ihren Zigaretten griff und ihr brillantenbesetztes Feuerzeug aufblitzen ließ. Helga Anderssen, deren Blick sich im Raum verlor. Laura Riffart, die heute blaß und müde aussah, die er eine Woche lang nicht mehr gesehen hatte, die er kaum anzuschauen wagte, um sich nicht zu verraten.
»Was starrt ihr mich denn so an?« fragte Stephi Helmer. »Ich kann nichts dafür, daß ich so bin.«
»Ich bin genauso wie du«, sagte Laura unvermittelt. »Glücklich am Tage und voller Angst, wenn's ins Schlafzimmer geht.«
»War's bei dir auch von der ersten Nacht an so?«
»Ja.«
»Hast du auch gewartet auf das Wunder?«
»Ja.«
Stephi Helmer strich sich eine kurze schwarze Haarsträhne aus der Stirn. »Und wie steht es jetzt mit deiner Ehe?«
Bis Laura antwortete, vergingen Sekunden. Und in diesen Sekunden hatte Normann das Gefühl, daß sie nahe daran war, die Wahrheit herauszuschreien: »Ich betrüge meinen Mann!«
»Er liebt mich«, antwortete sie dann mühsam. »Er hat Geduld. Er glaubt, Frigidität sei heilbar.«
»Sie ist heilbar«, warf Normann ein.
»Mein Gott«, sagte Stephi Helmer, »im ersten Jahr, da habe ich es mir vorgebetet, daß alles noch mal richtig wird, so, wie es sein soll. Ich wollte es erzwingen, ich wollte es mit dem Willen schaffen.«
»Wissen Sie«, erklärte Dr. Normann, »mit der Frigidität ist es wie mit dem Stottern. Je mehr sich der Stotterer anstrengt, um so schlimmer wird es. Sein Verstand läßt ihn im Stich. Und trotzdem kann der Stotterer geheilt werden.«
»Auch mit dreiunddreißig?« fragte Helga Anderssen. »Auch wenn man so lange in der Liebe gestottert hat?« Ihre Stimme war heiser vor Erregung. »Ihr müßt wissen«, wandte sie sich an die anderen, »ich kann nicht über mein Liebesleben reden, ich habe keines, nie eines gehabt. Jede Siebzehnjährige weiß mehr darüber als ich.«
Ellen Diekenhorst, die bisher geschwiegen hatte, sah sie mit ungläubigen Augen an: »Du hast dich nie verliebt, Helga?«
»Anders herum stimmt es besser: In mich hat sich niemand verliebt.«
Ellen schüttelte den Kopf. »Aber warum nicht? Du siehst doch hübsch aus, und gescheit bist du auch. Schließlich wird man nicht so ohne weiteres Chefsekretärin.«
»Etwas muß an mir sein«, erwiderte Helga, »das die Männer abstößt. Etwas muß an mir falsch sein.«
Dr. Normann hörte zu, beobachtete, fertigte eine Art Gedächtnisprotokoll an. Und er dachte: Es geht gut voran. Sie beginnen, sich miteinander auseinanderzusetzen. Sie verlieren ihre Scheu. Bald werden sie vergessen haben, daß ich da bin. Sie werden ganz unter sich sein – vier Frauen, die sich Geständnisse machen, sich herausfordern, sich anschreien, sich trösten, die Masken
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