Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
jetzt zu seiner Geliebten, erniedrige mich. Mehr kann man doch nicht verlangen, oder?
Im ersten Stock, am Ende eines langen Korridors, stand der Name an einer Tür: Marianne Kiessling. Martin nannte sie Muschi. Ob sie für Martin auch einen Kosenamen erfunden hatte?
Nach zweimaligem Läuten erst öffnete sich die Tür. Vor Stephi stand die Geliebte ihres Mannes.
»Sie wünschen?«
»Ich bin Frau Helmer«, sagte Stephi entschlossen.
Marianne Kiessling blieb gelassen. »Kommen Sie bitte herein«, forderte sie Stephi auf.
In Gedanken hatte sich Stephi ihre Nebenbuhlerin oft vorgestellt. Und jetzt fragte sie sich das, was viele Ehefrauen sich schon verzweifelt gefragt haben: »Was findet mein Mann an der?«
Diese Muschi war weder besonders schön noch besonders jung. Sie war drall, üppig. In ein paar Jahren würde sie dick sein. Früher, dachte Stephi, früher konnte Martin diesen Typ nicht ausstehen.
Stephi setzte sich nicht, sondern blieb in der Mitte des Zimmers stehen. Diese Person widerte sie an mit ihrem breiten, viel zu stark geschminkten Mund und mit ihren schwarzumrahmten Katzenaugen.
»Warum lassen Sie meinen Mann nicht in Ruhe?« fragte sie und war in diesem Augenblick bereit, den Kampf aufzunehmen.
Ihre Nebenbuhlerin kniff die Augen spöttisch zusammen, katzenhaft. »Ich lasse Ihren Mann nicht in Ruhe, sagen Sie? Was soll das heißen? Ich will Ihnen was flüstern, Frau Helmer: Ich brauche den Männern nicht nachzulaufen: sie kommen zu mir. Anscheinend biete ich etwas, das die werten Ehefrauen nicht haben.«
Stephi sah die Geliebte ihres Mannes verächtlich, angeekelt an. »Was Sie zu bieten haben, das kann ich mir denken.«
Marianne Kiessling lachte. »Ehefrauen sind alle gleich. Sie haben gar keine Ahnung, auf was es in der Liebe ankommt. Sie langweilen ihre Männer zu Tode, und da kommen sie eben zu uns.«
»Ach so, Sie haben gleich mehrere auf Lager?«
Die andere wischte ein paar Nylonstrümpfe vom Sessel, setzte sich. Für die Art von Schenkeln, die sie hatte, war ihr Rock entschieden zu kurz.
Was findet Martin bei dieser Schlampe? dachte Stephi. Kälte kroch ihr den Rücken hinauf. Scham erfüllte sie.
»Denken Sie doch mal über sich nach, Frau Helmer. Sie sind jünger als ich, und doch treibt es Ihren Mann zu mir. Bin ich da schuld, oder sind Sie es?«
Stephi Helmer fühlte ohnmächtige Wut in sich aufsteigen. Sie mußte sich zusammennehmen, daß sie der anderen nicht ins Gesicht schlug. Wozu war sie hierher gekommen? Hatte sie wirklich geglaubt, eine Frau vorzufinden, mit der man reden konnte? Oder wollte sie ganz einfach sehen, wo und mit wem Martin sie betrog?
Die Begegnung war schlimmer verlaufen, als sie es sich hätte ausmalen können. Es war entsetzlich zu denken, daß sie sich beinahe wegen dieser Person umgebracht hätte. Und es war ebenso entsetzlich zu denken, daß Martin in diesem billigen Absteigequartier eine Art Glück fand. Etwas, was er zu Haus vergeblich suchte.
Die Katzenaugen beobachteten sie, mit einem gewissen Triumph sogar. Aber Stephi gönnte ihr den Triumph. Nein, dachte sie voller Verzweiflung, so wie die möchte ich nicht sein. Lieber aus Glas, lieber überhaupt nicht mehr berührt werden, lieber im Kinderzimmer auf einer Matratze am Boden schlafen als mit so einer in Konkurrenz treten.
»Es tut mir leid, Fräulein Kiessling, daß ich Sie aufgesucht habe!« Stephi Helmer rannte hinaus, den langen Korridor zurück, die Treppen hinunter. Es tat gut, frische Luft zu atmen, bevor sie zu Dr. Normann ging.
Heute abend, bei der zweiten psychotherapeutischen Gruppenbehandlung, wollte sie den Arzt fragen: »Ist Liebe nichts anderes als körperliche Intimität? Zählt sonst gar nichts? Muß man sich wie die Tiere benehmen, wenn man glücklich sein will?«
Von Anfang an stand die zweite Gruppensitzung in der Praxis des Psychiaters unter einer merkwürdigen Spannung. Dr. Normann spürte die Ungeduld, die von den vier Frauen ausging – als könnten sie es alle nicht mehr erwarten, endlich zur Sache zu kommen.
Stephi Helmer, die links von ihm saß, brach als erste den Bann. Sie wandte sich plötzlich an Helga Anderssen: »Darf ich dich was fragen? Hast du schon mal ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann gehabt?«
Dr. Normann wunderte sich nicht darüber, daß sie sich plötzlich duzten. Er hatte es in vielen anderen Gruppen erlebt. Das distanzierte ›Sie‹ – es paßte nicht mehr, wenn man sich solche Fragen stellte.
»Nein«, antwortete Helga.
»Aber
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