Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
stellen?«
»Bitte.«
»Wenn Ihr Mann eine Geliebte hätte, würden Sie ihm dann auch keine Szene machen?«
Sie funkelte ihn an. »Mein Mann hat keine Verhältnisse. Ich weiß das, eine Frau fühlt das. Verstehen Sie?«
In solchen Momenten ist auch ein Psychiater am Ende. Ellen Diekenhorst tat ihm leid – aber auf keinen Fall war er berechtigt, ihr die Wahrheit zu sagen.
»Mein Mann betrügt mich nicht«, sagte sie, »er gibt mir keinen Anlaß zur Eifersucht – und trotzdem bin ich offenbar eifersüchtig. Woher kommt das denn? Bin ich verrückt, Doktor?«
»Nein. Sie sind nicht verrückt. In einem Fall wie dem Ihren spielt es auch keine Rolle, ob die Eifersucht berechtigt ist oder nicht. Sie wurzelt im Unterbewußtsein. Sie flackert auf aus einer neurotischen Fehlhaltung heraus. Und dieselbe Fehlhaltung macht Sie krank, Ellen. Jetzt können Sie wieder essen. Aber wenn Sie wirklich geheilt sein wollen, müssen wir diese Fehlhaltung korrigieren.«
»Wenn ich mir wieder was einbilde, werde ich also wieder krank?«
»Ja.«
»Ich war oft krank in meinem Leben. Können Sie mir da heraushelfen?«
»Ich glaube schon, Ellen.«
Sie lächelte ein bißchen. »Es war also gar kein Abschied, dieses Mittagessen. Ich bleibe Ihre Patientin. Dienstag und Donnerstag, wie immer am runden Tisch …«
»Notieren Sie von heute an Ihre Träume. Auch Kleinigkeiten: die Landschaft, die Farben, die Gesichter – alles! Wir wollen uns in der nächsten Sitzung damit beschäftigen.« Dr. Normann stand auf. Die Gruppensitzung war zu Ende.
Im Lift fragte Stephi Helmer: »Helga, nimmst du mich wieder mit?«
»Mit der Straßenbahn, ja«, lachte Helga Anderssen. »Mein Wagen ist beim Kundendienst. Ich bekomme ihn erst übermorgen.«
Ellen Diekenhorst bot sich sofort an. »Ich habe heute sowieso nichts mehr vor. Ich fahre euch nach Hause.«
»Das wäre fein«, sagte Stephi Helmer. »Meine Kleine ist allein, und da bin ich immer ein bißchen unruhig.«
»Wie steht's mit dir, Laura?« fragte Ellen.
»Danke. Ich habe nicht weit. Ich kann zu Fuß gehen.«
Nur Helga war betroffen von dem Vorschlag. Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie ihn ganz bestimmt abgelehnt. Mein Gott, Ellen, dachte sie, in meinem Haus wohnt die Geliebte deines Mannes. Er hat sie als Sekretärin entlassen, aber sonst hat er sie behalten. Vielleicht steht heute abend sein Auto vor der Tür, wie so oft. »Wir können auch ein Taxi nehmen«, schlug sie vor.
»Kommt gar nicht in Frage«, sagte Ellen gutgelaunt.
Sie stiegen zu dritt in ihren todschicken Ferrari.
Stephi meinte lachend: »Wer uns hier so einsteigen sieht, denkt bestimmt nicht daran, daß wir aus der Sprechstunde eines Psychiaters kommen und unseren dicken Kummer haben.«
Ellen drückte den Anlasser. »Gehabt haben. Was sagt ihr denn zu meiner Geschichte? Mein armer Mann muß sich von meinem Arzt sagen lassen, daß ich insgeheim auf seine Sekretärin eifersüchtig bin – er kann einem leid tun.«
Helga saß schweigend auf dem Rücksitz. Sie glaubt und glaubt, dachte sie, und ich darf ihr doch diesen Glauben nicht zerstören. Oder müßte ich es tun? Müßte ich ihr brutal die Wahrheit sagen, da oben am runden Tisch? »Ellen, es tut mir leid, ich kann dein Gerede von deiner glücklichen Ehe nicht mehr mitanhören. Du machst dir was vor, es stimmt nicht, es ist ja alles gelogen!«
Ellen Diekenhorst unterbrach sie in ihren Gedanken: »Hast du schon eine neue Stellung, Helga?«
»Nein. Es hat noch nichts geklappt.«
»Ich werde mit meinem Mann reden«, erklärte Ellen sehr bestimmt. »Du warst doch in der Autobranche, da könntest du dich schnell bei ihm einarbeiten.«
»Ellen, tu es nicht«, bat Helga. »Du kennst doch mein Doppelleben. Stripteasetänzerin – so etwas vereinbart sich nicht mit dem Ruf einer großen Firma.«
»Ach was«, tat Ellen den Einwand ab. »Das braucht kein Mensch zu wissen. Mein Mann auch nicht.«
Stephi Helmer war es, die plötzlich sagte: »Das große blaue Appartementhaus, siehst du es? Da wohnt Helga.«
»Besser, du läßt mich gleich hier heraus«, schlug Helga hastig vor.
Aber Ellen war schon abgebogen. Sie hielt direkt vor dem Haus. Und sie stieg auch noch aus, um ihr die Hand zu geben. »Bis zum Donnerstag«, sagte sie, »bis dahin …«
Der Rest blieb ihr im Mund stecken.
Die Haustür war aus Glas, und durch das Glas sah man in eine Halle und auf eine Lifttür.
Helga Anderssen blickte sich verzweifelt um. Sie hätte am liebsten die Augen geschlossen.
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